Ein digitales Hinweisgebersystem bietet viele Vorteile. Doch wer benötigt überhaupt ein solches System und was sind die Alternativen?
Welchen Nutzen stiftet ein digitales Hinweisgebersystem?
Hinweisgebersysteme dienen zuallererst der Aufdeckung von Missständen, Regel- und Rechtsverstößen in Unternehmen und Organisationen. Je schneller solch ein Missstand aufgedeckt wird, desto schneller kann dieser bekämpft und potenzieller wirtschaftlicher Schaden minimiert werden.
Aber auch eher weiche Faktoren wie das eigene Image und letztlich auch die Mitarbeiterzufriedenheit werden durch ein Meldesystem beeinflusst. Viele Wirtschafts-Skandale der letzten Jahre hätten durch einen rechtzeitig abgegebenen Hinweis wohl eingedämmt oder gar verhindert werden können.
Schaden durch Imageverlust
Der Imageverlust der betroffenen Unternehmen ist dabei immens und der Schaden wirkt sich in vielen Bereichen aus. Welcher hochqualifizierte Berufsanfänger bewirbt sich bei einem Arbeitgeber, der nur durch negative Schlagzeilen in den Medien auffällt?
Wenn also ein digitales Hinweisgebersystem als eine Art Frühwarnsystem dazu beiträgt, die Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Missständen zu erhöhen, können finanzielle Schäden minimiert und einem Imageverlust entgegengewirkt werden.
Hinweisgebersystem als USP
Aber auch in der Außendarstellung, kann das eigene Compliance-System als USP genutzt werden, indem es offen kommuniziert wird. Kunden, Lieferanten und Investoren bewerten es positiv, wenn Organisationen den anonymen Dialog mit Hinweisgebern ermöglicht.
Gegenüber anderen Unternehmen können Sie zudem eine Art Vorbild-Rolle im Bereich der Unternehmenskultur und der internen Kommunikation einnehmen.
Mehr Effektivität im Compliance
Zudem steigert der durch ein digitales Hinweisgebersystem ermöglichte anonyme und sichere Dialog mit Hinweisgebern die Effektivität Ihres Compliance-Teams.
Vor allem durch ein integriertes Case Management können Fälle schnell und effektiv bearbeitet und abgeschlossen werden. Daten, Nachrichten und die Hinweise selbst, müssen das zertifizierte System nicht mehr verlassen, was zudem zu der Sicherheit beiträgt und die Anonymität des Hinweisgebers schützt.
Am deutlichsten wird der Nutzen eines digitalen Hinweisgebersystems jedoch, wenn man die Alternativen dazu betrachtet, die schnell an ihre Grenzen stoßen.
Alternative 1 – Die Hinweisgeber-Hotline

Eine Hotline zur Abgabe von Hinweisen sollte mehrsprachig und kostenfrei angeboten werden, um die Hemmschwelle bei dem Hinweisgeber zu senken und ihm die Möglichkeit zu geben sich in seiner Muttersprache ausdrücken zu können.
So werden schnell mehrere Personen benötigt, die diese Hotline bedienen. Zusätzlich sollten sie ein gewisses Compliance-Verständnis aufweisen, was regelmäßige, gesonderte Schulungen und Ausbildungen nötig macht.
Hinweisgeber: Anonymität am Telefon
Die Anonymität des Hinweisgebers bzw. die Verschwiegenheit der verantwortlichen Personen stellt hier eine Hürde dar. Der Anrufer, also Hinweisgeber, kann sich nicht sicher sein, mit wem er telefoniert und wie mit seinem Hinweis umgegangen wird, was den initialen Griff zum Telefonhörer nicht leichter macht.
Die Flexibilität ist ein entscheidender Punkt. Ein Hinweisgeber hält sich nicht an Bürozeiten. Eine Hotline sollte stets erreichbar sein, jeden Tag und zu jeder Uhrzeit. Dies lässt sich in der Praxis jedoch nur in seltenen Fällen umsetzen und dann meist auch nur mit Hilfe von ausländischen Call Centern.
Aufwand in der Fall-Bearbeitung
Für die andere Seite, die Case Manager oder Fallbearbeiter, ist die Hinweisgeber-Hotline nicht der ideale Begleiter. Oft müssen Telefonate transkribiert werden, bevor sie in das System eingespeist werden können. Das erhöht den Aufwand im Compliance-Team enorm. Ein weiterer anonymer Kontakt zum Hinweisgeber ist nach dem Telefonat nur begrenzt möglich, was die Case Manager mit einer Initial-Information zurücklässt.
Eine Hinweisgeber-Hotline eignet sich also nur in Ausnahmefällen als eigenständige Plattform. Als Ergänzung zum digitalen Hinweisgebersystem eignet sie sich sehr wohl. Viele der genannten Schwächen einer Hinweisgeber-Hotline (Flexibilität und Erreichbarkeit zum Beispiel) fallen weg, wenn sie mit dem digitale Hinweisgebersystem integriert wird.
Alternative 2 – Die Ombudsperson

Eine Ombudsperson sieht sich sehr ähnlichen Herausforderungen gegenüber. Wie im Falle der Hotline ist die Frage der Erreichbarkeit relevant. Oft folgen Ombudspersonen den Haupt-Arbeitszeiten ihrer Klienten und erreichen so keine 24/7-Abdeckung.
Doch gerade wenn ein Hinweisgeber nach der Arbeit einen entscheidenden Hinweis abgeben will, ist dies sehr wichtig. Auch ist hier die Anforderung der Mehrsprachigkeit oft nur eingeschränkt gegeben.
Ist die Hinweisabgabe erst einmal getätigt, stellt sich die Frage wie der Hinweis das übrige Compliance-Team erreicht. Wird dieser, ohne das Case-Management eines webbasierten Hinweisgebersystems, einfach per Mail verschickt, können weder die Anonymität des Hinweisgebers, noch Sicherheitsstandards eingehalten werden. Ombudsleute und Compliance-Team benötigen also sowieso einen sicheres, digitales System für die Zusammenarbeit.
Zudem ist die Zusammenarbeit verschiedener Ombudspersonen aus unterschiedlichen Standorten oder Ländern oft von fehlender Kommunikation geprägt und Zusammenhänge zwischen Hinweisen werden zu spät erkannt.
Alternative 3 – Kummerkasten und E-Mail-Postfach

Im Vergleich mit den ersten beiden Alternativen sind Kummerkasten (je nach Platzierung) und E-Mail-Postfach zumindest uneingeschränkt zu erreichen. Gerade eine Hinweisabgabe per Mail folgt keinen Öffnungszeiten und ist quasi immer verfügbar.
Bei Kummer- bzw. Briefkästen ist oft nicht klar, wer diese wann leert und wie mit Hinweisen umgegangen wird. Gegebenenfalls ist auch das Einwerfen von Informationen in den Briefkasten an sich ein riskanter Akt für den Hinweisgeber. Auch die Kommunikation zu anderen Standorten, mit Hinweisen auf gleiche oder ähnliche Missstände, ist oft mangelhaft.
Kummerkasten: Zugang und Sicherheit
Zudem haben externe Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden oft keinen Zugang zum Briefkasten. Hier hat das E-Mail-Postfach klar die sprichwörtliche Nase vorn, da sie von jedem Ort mit Internetzugang, auch von mobilen Endgeräten, erreicht werden kann.
Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Anonymität. E-Mails können abgefangen werden und schützen den Inhalt in etwa so gut wie eine Postkarte. Die Hinweisabgabe per Mail ist ja auch nur der erste Schritt im Hinweisgeber-Prozess. Die Problematik der sicheren Dokumentation und weiteren Fallbearbeitung zeigt auch hier die engen Grenzen auf.
Es gibt also nicht für jeden die eine, perfekte Lösung. Vielmehr muss darauf geachtet werden, bei der Einrichtung eines Hinweisgebersystems die richtige und auf das Unternehmen zugeschnittene Kombination aus allen verfügbaren Kanälen zu nutzen.
Allerdings bietet das digitale Hinweisgebersysteme gegenüber den Alternativen deutliche Vorteile. Ständige, anonyme und ortsunabhängige Erreichbarkeit und das eingegliederte Case Management sind nur zwei davon.
Brauche ich also ein digitales Hinweisgebersystem?

Die Frage ob ein Unternehmen oder eine Organisation ein digitales Hinweisgebersystem braucht, lässt sich in den meisten Fällen mit „Ja“ beantworten.
Zwar sind Hinweisgebersysteme in Europa zu großen Teilen noch nicht verpflichtend zu betreiben, als Frühwarnsystem und als Risikominimierungs-Tools jedoch unabdingbar und eine lohnende Investition. Und meistens fällt diese Investition sogar wesentlich geringer aus als man denkt.
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Danke für den spannenden Artikel über das Hinweisgebersystem. Ich interessiere mich für Thema “Hinweisgeberschutzgesetz“ und habe aus diesem Grund bei dir reingelesen. Ich wünsche https://blog.comspace.de/ weiterhin viel Erfolg.