Panoramafotografie ist der wesentlich inhaltliche Bestandteil der Bielefeld 360 Grad App. Daher auch der Namensbestandteil 360 Grad. Das Panoramafotografie aber deutlich mehr bedeutet, als ein Fotograf, der sich im Kreis dreht und ein paar mal auf den Auslöser drückt, sondern eine ganz eigene Expertise beansprucht, hat uns der Neue Westfälische Fotograf Andreas Frücht erklärt, der die Motive der App in seiner Kamera eingefangen hat.
Die App selber können Sie hier für 1,79 EUR herunterladen:
Stellen Sie sich den Lesern doch bitte einmal kurz vor.
Andreas Frücht, Freier Fotograf, 52 Jahre alt, ich komme eigentlich aus dem Ruhrgebiet und wurde 1983 durch die ZVS nach Bielefeld „versetzt“. Psychologie-Studium an der Uni Bielefeld, zur Finanzierung desselben ab Oktober 1983 Freier Fotograf für die NW-Sportredaktion, ab 1988 auch für andere NW-Redaktionen. Volontariat bei der NW nach Abschluss des Studiums von 1992-94, danach wieder Freie Mitarbeit als Pauschalist. Wohne seit 1998 in Steinhagen, Hund Katze Haus.
Wie sind Sie zur Panorama-Fotografie gekommen?
Ich habe schon in den 80ern mit Kleinbild- und Mittelformat-Panoramakameras fotografiert, immer auf Diafilm, meistens Reise- und Landschaftsfotos. Panoramafotos geben optimal den Eindruck wieder, den man von einer Landschaft oder einer fremden Stadt hat. Keine Ausschnitte, keine Gewichtung durch selektive Bildbeschnitte, keine Baustelle neben dem Traumhotel, die im Prospekt zufällig abgeschnitten wurde.
Was genau ist Panorama Fotografie eigentlich und wie funktioniert sie?
In vordigitaler Zeit waren Panoramakameras Spezialgeräte, die sich von anderen handelsüblichen Fotoapparaten konstruktivisch unterschieden. Bei einer Panoramakamera schwenkte das Objektiv über einen zuvor festgelegten Bereich und belichtete dabei ein Format, welches gleich hoch wie das Standard-Filmformat war, dabei aber doppelt bis dreifach so breit. Die Aufnahmen waren also 36mm hoch (bei Mittelformat 60mm) und mindestens 70mm breit (bei Mittelformat etwa 130mm) Vereinfacht: Zwei aneinandergelegte Bilder. Ein sehr flaches Bild also. Während das Objektiv der Kamera während der Belichtung schwenkte, das heißt im Halbkreis die Umgebung abfotografiert, blieb die Kamera unbewegt in der Hand des Fotografen oder besser auf dem Stativ. In der Regel gab es nur drei oder vier einstellbare Belichtungszeiten: schwenkte das Objektiv schnell über den Film, entsprach dies einer schnellen Belichtungszeit, ein langsamer Schwenk dagegen entsprach einer langen Belichtung. Üblich waren Belichtungszeiten von einer 250stel bis zu einer 15tel Sekunde. Ich würde von „echter“ Panoramafotografie sprechen.
Aktuelle Kameras dagegen sind konventionelle Digitalkameras, ausgestattet mit einer Panorama-Funktion. Diese Kameras haben kein schwenkbares Objektiv, man muss die gesamte Kamera schwenken. Während des Schwenkens liefern sie dann im Panorama-Fotomodus eine Serie von vielen Aufnahmen, die von dem Panoramaprogramm in der Kamera mehr oder weniger gut zu einem einzigen Bild zusammen gerechnet werden. Am störungsfreiesten gelingt dies, wenn man die Aufnahme von einem Stativ macht und die Kamera auf dem Stativ um die eigene Achse dreht. Aber auch Aufnahmen aus der Hand sind möglich. Dies erfordert einige Erfahrung, da bei zu langsamem oder zu schnellem Schwenk das Programm abbricht und die Aufnahme wiederholt werden muss. Bei schrägen oder ruckeligen Schwenks wird das Bild zerhackt oder die Kamera bricht die Aufnahme ganz ab.
Ganz ohne Panoramakamera kommt man aus, wenn man ein Panoramaprogramm in Kombination mit einer herkömmlichen Digital-Kamera verwendet. Mit einer solchen fotografiert man einmal im Hochformat in die Runde, so dass die einzelnen Bilder an den Längskanten überlappen: Die entstandenen Bilder werden im Rechner vom Panorama-Programm (Autopano pro etwa) zu einem Bild vereinigt. Erfordert viel Rechenleistung.
Welche verschiedenen Arten der Panorama-Fotografie gibt es?
Echte Panoramafotografie plus kamera- oder rechnerbasiertes Zusammenrechnen mehrerer Einzelaufnahmen. Weitere Variante am Beispiel des Titelpanoramas von der Sparrenburg: beim Sparrenburgturm ist es nicht möglich, von einer Stelle der Aussichtsplattform ein Stadtpanorama zu fotografieren, da das Häuschen auf der Turmplattform im Wege stehen würde. Also muss die Kamera mitsamt Fotograf sich während der Aufnahme(n) einmal im Kreis bewegen, also den gesamten Turm umrunden. Dasselbe gilt für das Panoramabild von der Altstädter Nicolaikirche. Auch hier würde der Turm im Weg stehen, wenn die Kamera an der selben Stelle bliebe.
Weitere Variante: Ein Kugelpanorama. Hier wird mit einem Fisheye-Objektiv mit 180 Grad Bildwinkel ein Panorama fotografiert, in welchem man nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach oben und unten schwenken kann. Auch bei diesem Panorama werden viele einzelne 180-Grad-Bilder von einem Programm miteinander verrechnet zu einem einzigen virtuellen Bild, in welchem man nach links und rechts, aber auch hoch und runter schwenken kann. Diese Variante eignet sich nur noch für eine Bildschirmbetrachtung, nicht mehr für eine Printausgabe.
Welche Form der Panorama-Fotografie kam bei der NW-App zum Einsatz und warum?
Da das NW-Redaktionssystem mit digitalen Bilddateien arbeitet, wurde auf den Einsatz einer klassischen, analogen Panoramakamera (Widelux, Horizont) verzichtet. Digitale Panoramafotografie hat außerdem den Vorteil, dass auch bei schlechten Lichtverhältnissen noch brauchbare Ergebnisse zu erwarten sind. Zum einen sind die Kameras empfindlicher als Filme, zum anderen sind auch langsame Belichtungszeiten möglich. Schlussendlich: ein komplett „echtes“ 360-Grad-Panoramabild alter Schule für den Online-Gebrauch wäre gar nicht möglich. Selbst wenn es eine 360-Grad-Panoramakamera gäbe, so müssten Anfang und Ende des Bildes zusammengefügt werden – was störungsfrei wiederum nur mit Bildprogrammen geht. Die Panoramakameras liefern aber je nach Schwenkgeschwindigkeit nur Ausschnitte zwischen 100 und 180 Grad, daher müssen in der Regel drei oder vier Bilder zu einem Bild verbunden werden.
Welche spezielle Kamera und welches Equipment braucht man?
Eine Digitalkamera mit Panoramafunktion. Verbessert wird das Ergebnis durch ein möglichst schweres Stativ mit Panorama-Kugelkopf. Alternativ: eine normale Digitalkamera und eine Panoramaprogramm (PTGUI,, Autopano Pro); Für das Verbinden der einzelnen Panoramen bzw. das Beseitigen von panoramatypischen Abbildungsfehlern ein Bildbearbeitungsprogramm (z.B. Photoshop)
Welche Motive eigenen sich besonders gut für 360 Grad Fotografie?
Am besten eignen sich Plätze mit einem Durchmesser von 25-50 Metern, Parks, Hallen, Stadien. Die Bebauung sollte nicht zu hoch sein, damit die Kamera nicht zu sehr geneigt werden muß. In der Mitte sollte sich kein störendes Bauwerk befinden. Ein Traum: Wenn man genau in der Mitte des Platzes eine Stehleiter aufbauen kann. Oder ein Gerüst!! Beim manuellen Zusammenbau der Bilder sind Bäume und Blattwerk sehr erleichtend, hier kann man Übergänge prima verstecken. Aufwendig: Strassenbahn-Oberleitungen, Kopfsteinpflaster.
Worauf muss man beim Fotografieren achten, was sind besondere Schwierigkeiten?
Will man lange Nächte bei der Bildnachbearbeitung vermeiden, sollte man auf eine genaue Ausrichtung der Kamera achten. Ansonsten endet der Horizont vom Bildende in Höhe des dritten Stockwerks am Anfang. Langgezogene Bauwerke sehen bauchig aus, da Anfang und Ende des Bauwerks weiter entfernt sind (und somit kleiner abgebildet werden) als die Mitte. Direkte Sonne ist nicht so ratsam, da für alle Bereiche des Bildes identische Belichtungswerte eingehalten werden sollten. Was dazu führt, dass der Teil mit der Sonne zu hell auf dem Bild erscheint. Leicht dunstiges Licht oder weiches Morgen- bzw. Abendlicht sind ideal. Es sollte nicht allzuviel Bewegung im Bild sein. Passanten, die während der Belichtung durchs Bild laufen, werden zerhackt und/oder mehrfach abgebildet, fahrende Autos desgleichen. Wasserflächen oder bewegtes Laub kann das Rechenprogramm in der Kamera irritieren, die Aufnahme wird dann abgebrochen. Für ein Foto von der Brandung am Strand habe ich einmal 20 Versuche gebraucht, und das Ergebnis war nicht besonders. Hier sind die analogen Kameras endlich einmal klar im Vorteil!
Welche Apps oder Software-Tools sind für die Bearbeitung der Fotos empfehlenswert?
Ich weiß, dass es Software-Tools gibt und wie sie heißen. Für meine Panoramen verwende ich Adobe Photoshop und meinen Kopf.
Die Apps finden Sie für 1,79 EUR in den entsprechenden Stores:
Bildnachweise:
Lomography Sprocket Rocket by Flickr User Boxy Brown’s Bling
Polaroid Land Camera 360 by Flickr User Peter Pawlowski
Bielefeld Panorama by Andreas Frücht
Danke für die Inspirationen. Inzwischen haben wir mit Lightroom 6 (CC 2015) ja alle ein Tool auf dem Desktop, mit dem Panoramaaufnahmen ja relativ flott gelingen. Wenn ich ungeplante Panoramaaufnahmen mache, ärgere ich mich immer über das fehlende Stativ. Die App finde ich mit unter 2 Euro sehr preiswert. Das kann man schon mal investieren…
ist die App immer noch für den Preis zu haben?
Hey Anna,
nein, die gibt es nicht mehr. Warum ist mir nicht bekannt, da müsstest Du bei der Neuen Westfälischen nachfragen.
Gruß,
Jan
Ein sehr interessanter Blog Artikel! Habe ich gerne gelesen, vielen Dank hierfür 🙂 Schöne Grüße, Nick Freund