Ein Flugzeug voller Grafikkarten: Dank der Blockchain-Technologie entstehen derzeit weltweit spannende Projekte, die teilweise irrwitzige Züge aufweisen.
Ob Informationsaustausch, Identitätsmanagement, Verfolgung von Gütern oder Lösungen im Bereich Publishing – es gibt momentan keine Sparte, die nicht betroffen ist. Manche Berufsfelder werden durch die Technologie ersetzt, werden revolutioniert oder entstehen neu.
Der bekannteste Einsatzbereich ist jedoch vermutlich der Bereich der digitalen Währungen und das dazugehörige Ökosystem aus Exchange-Plattformen und Börsen.
Dieser Artikel erläutert was hinter den neuen Währungen steckt, welche Auswirkungen sie auf Märkte haben und welche Hürden sie bereits genommen haben oder noch nehmen müssen.
Bitcoin erreicht den Mainstream
Neben dem momentanen Hype um die Kryptowährung Bitcoin, dessen Kurs seit Jahresbeginn von knapp 1000€ auf über 3200€ stieg und damit eine breite mediale Aufmerksamkeit erreichte, existieren über 850 weitere digitale Währungen.
Dies führte zu einer rasanten Entwicklung des Ökosystems und Service-Plattformen wie Broker, Börsen oder Exchanges kamen hinzu. Die Marktkapitalisierung von Bitcoin, also der gesamte Wert aller Coins, beträgt um die 54 Mrd. €. Zum Vergleich: BMW hat rund 51 Mrd. € (Platz 23 weltweit) Marktkapitalisierung und Unilever 170 Mrd. € (Platz 1 weltweit).
Kryptowährungen werden im Umfeld von Blockchain-Technologien, außer als Währung, auch als eine Art Kraftstoff genutzt. Um Informationen von A nach B zu senden, müssen die Nutzer eine Art Bearbeitungsgebühr zahlen. Die “Miner” erhalten die Aufwandsentschädigung für die Bereitstellung der Rechenkapazitäten durch ihre Hardware-Systeme. Das bekannteste Beispiel ist Ethereum, zum einen die zweitstärkste Währung in der Kryptowährungswelt – zum anderen Basis vieler Blockchain-Projekte.
Die Datenverarbeitungsprozesse übernehmen in den meisten Blockchain-Technologien derzeit die “Miner”, hier spricht man vom “proof-of-work”. Mehrere Einzelpersonen oder Unternehmen betreiben eine Art dezentralisiertes Rechenzentrum. Sie stellen Rechenleistung in unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung um Transaktionen zu verarbeiten, zu verschlüsseln und mit anderen Teilnehmern zu synchronisieren – das sogenannte Mining. Das besondere hierbei ist der Wettbewerb unter den Minern, denn nur wer am schnellsten die Rechenoperationen löst, erhält auch Aufwandsentschädigung.
Daher ist das Nadelöhr beim Mining-Prozess die Rechenkapazität, welche zur Berechnung der Datenverarbeitung und Verschlüsselung benötigt wird. Aufgrund der großen potentiellen Gewinne haben sich riesige Rechenzentren in China oder Island gebildet, wo die Stromkosten sehr gering sind, um mit enormer Rechenleistung Mining zu betreiben.
https://youtu.be/RQqQnRicZHo?t=11
Zeit ist (Krypto-)Geld
Um einen möglichst hohen Ertrag zu erwirtschaften, begeben sich die Miner in eine Spirale des technischen Wettrüstens. Je besser die Technik, desto mehr Einkommen pro genutzte Kilowattstunde – so die Rechnung der Miner. Durch das Aufrüsten wird aber gleichzeitig der Gewinn der anderen Miner beschnitten (nur der “erste Platz” gewinnt), was diese dazu zwingt, selbst aufzurüsten.
Das führte zu einem Run auf Hardware, der immer noch anhält. Grafikkarten führender Hersteller sind monatelang ausverkauft, da die großen Mining-Unternehmen, sog. “Farmen”, den Großteil der am Weltmarkt verfügbaren Karten direkt vom Hersteller beziehen. Die Restbestände werden von den kleinen Minern hoch gehandelt.
Durch diese Entwicklung entstanden neue Geschäftsmodelle. Branchengrößen wie Genesis-Mining bieten Mining-as-a-Service an. Kunden mieten sich quasi Miningkapazitäten in dem Rechenzentrum von Genesis. So kann im Grunde kann jeder Mining betreiben, der sich entsprechend in die Materie einarbeitet. Natürlich heizte diese geringere Eintrittsbarriere den Wettlauf auf die Hardware weiter an.
Wenn dann noch Kurssprünge der Krypto-Währungen dazu kommen, treibt diese Nische Blüten. Um die Lieferung von Grafikkarten zu verkürzen – immerhin entgingen ihnen täglich Millionen durch “veraltete” Hardware – mieteten sich kürzlich Ethereum-Miner einen Airbus 747.
Die neuen Branchengrößen haben immensen Einfluss auf den Hardware-Markt:
Durch die steigende Nachfrage an AMD und NVIDIA-Grafikkarten nahmen Onlinehändler die begehrten Modelle aus dem Programm um die Frustration bei Kunden, darunter viele Gamer, einzudämmen.
Gekommen um zu bleiben – Kryptowährungen
Kritische Stimmen kommen aus den Kreisen der Finanzunternehmen, die den ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel als Trend stempeln und vielleicht auch ein bisschen Besitzstandswahrung betrieben wollen. Sicherlich sind Kursschwankungen höchst volatil und die Nachfrage gegenüber klassischen Finanzprodukten emotional getrieben.
Dass jedoch ein digitales, nicht-haptisches Produkt gerade die Adaption in die Realwirtschaft vollzieht, scheint wiederum den Experten als Beleg nicht zu reichen. Bitcoin Automaten, an denen man Bitcoins kaufen oder sich Bitcoins in lokaler Währung auszahlen lassen kann, gibt es bereits in den Niederlanden und Österreich, Anzahl steigend. Erste Ethereum-Automaten wurden nun in Kanada aufgestellt und markieren damit einen wichtigen Meilenstein für das Projekt und sind auch ein klares Signal für die Marktakzeptanz. Die breite Masse wird Bitcoin und Ethereum in der Wirtschaft vor allem durch eine private Akzeptanz erreichen, die Integration in den Alltag durch Automaten ist ein wichtiger Schritt.
Unternehmen wie TenX und OmiseGo verzichten gänzlich auf den Umtausch in Bargeld. Sie ermöglichen mit ihren Kreditkarten die bequeme Zahlung in lokaler Währung, zum Beispiel beim Tanken, und buchen den umgerechneten Betrag vom Kryptowährungs-Guthaben ab.
Deutsche Hürden auf dem Weg zur Marktakzeptanz
Fehlende Regelungen ermöglichen einerseits vielfältige Lösungsansätze und Projekte über das gesamte Spektrum der verschiedenen Blockchain-Ansätze. Andererseits sind fehlende Vorgaben zu Compliance, Know Your Customer (KYC) oder Verhinderung von Geldwäsche (AML) eine Hürde auf dem Weg zur staatlichen Akzeptanz.
Ohne diese leidet auch die breite Benutzerfreundlichkeit und Anwendbarkeit – derzeit ist in Deutschland und den europäischen Marktplätzen der Aufwand zur Freischaltung eines Nutzerkontos mit dem Beleg der Identität relativ hoch.
Durch die Bitcoin- und Ethereum-Automaten können Nutzer schnell und unkompliziert kleine Beträge erwerben und erfüllen alle nötigen AML- und KYC-Anforderungen aufgrund der Ein- und Auszahlungslimits.
Wo einige Länder, wie Österreich und Niederlande, schon Antworten zum Umgang gefunden haben, wird in der EU noch darüber diskutiert, ob man sich diesem Thema überhaupt widmen sollte. Dass Deutschland hier ebenfalls noch keine klare Position bezogen hat, zeigt der Versuch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), ein dezentrales Netzwerk und deren weltweite Nutzer zentral zu regulieren.
Hätte die Luftpost damals die Regularien für den Email-Verkehr aufstellen sollen? Sicherlich nicht, denn wer könnte schon unbefangen sein eigenes Geschäftsmodell obsolet machen?
Das disruptive Ausmaß der Blockchain-Technologie speziell im Kontext von Plattform-Infrastrukturen behandelt dieser Artikel.