Qualität ist und bleibt für uns bei comspace immer einer der Hauptwerte im Online-Business. Doch im Einsatz von Content im Social-Media-Umfeld werden immer mehr Stimmen laut, dass Quantität wichtiger und wichtiger wird, um sich Aufmerksamkeit und Gehör zu verschaffen. Die Qualität der Inhalte darf selbstverständlich nicht leiden, doch sowohl die Anzahl der Inhalte, wie auch die Anzahl der Verbreitungs-Plattformen und -Häufigkeit spielt eine immer stärkere Rolle.
tl;dr: Qualitativ exzellente Beiträge sollten zukünftig mit hoher Frequenz, in verschiedenen Formen und Längen über mehr Kanälen verbreitet werden, um durchs Aufmerksamkeitsfenster der Zielgruppe zu flattern.
Bei comspace sprechen wir eine sehr spitze B2B-Zielgruppe an und gingen darum immer eher den Weg von qualitativ exzellenten und sehr spezifisch auf die Zielgruppe abgestimmten Inhalten.
Seit einigen Monaten stellen wir jedoch fest, dass wir mit Inhalten, die weniger zielgruppenspezifisch sind, deutlich mehr Menschen erreichen, als (nur) mit den auf unser Alltagsgeschäft abgestimmten Inhalten.
Ein Beispiel:
Die Themen Human Relations und Unternehmenskultur finden in unseren Kanäle derzeit deutlich mehr statt als Web-Technologie und Content Management Systeme. Warum? Weil wir zu diesen Themen momentan mehr Geschichten erzählen können und das über sämtliche Kanäle hinweg: Von Presse, Mail-Newsletter, persönliche Kontakte, hin zu Blog und Social Media. Auch wenn es sich bei den Themen nicht um unsere wertschöpfenden Kernkompetenzen handelt, hört man uns da draußen zu, nimmt uns wahr und es entwickeln sich wertvolle Kontakte, die dann plötzlich auch wieder für das Kerngeschäft interessant werden.
Durch einen Vortrag von Jay Bear, wurde mir das Potenzial, das in unseren eigenen Erfahrungen steckt plötzlich klar, als Jay den Vergleich zwischen Schrotflinte und Scharfschützengewehr zieht und zum Schluss kommt, dass wir zukünftig deutlich mehr auf Schrotflinten zurückgreifen sollten.
Im reinen B2B-Kosmos mag die Problematik noch nicht so ernst sein, doch im Endkunden-Umfeld, in dem sich einige unserer Kunden bewegen, wird es schwerer und schwerer, sich in den unzähligen Social Media Meldungen pro Tag hervorzuheben und die Aufmerksamkeit der Kunden zu wecken.
Digitale Strategien müssen her.
Dazu möchte ich Jays eher amerikanisch-pragmatische Metapher umdeuten. Ziehen wir doch passend zum überraschend guten Sommerwetter den Vergleich zwischen Rasensprenger und Gartenschlauch:
Erreichen statt Reichweite
Jahrelang haben wir in Social Media auf die Reichweite geschaut. An wie viele Follower, Fans, Besucher kann ich Nachrichten aussenden? Dabei haben wir uns wenig Gedanken darüber gemacht, was denn tatsächlich bei den Empfängern ankommt. Social Media war ein Selbstläufer. Die Inhalte wurden besser und besser. Corporate Publishing und Content Marketing haben eine ganz neue Qualität erreicht. (Dabei ist das Thema nicht neu, hier erklärte ich u.a. dass Content Marketing durch Dr.Oetker in Bielefeld bereits 1891 zum Einsatz kam).
Super Inhalte in einem spezifischen Kanal sind wie ein Gartenschlauch mit hohem Druck, mit dem sich Wasser schnell und gezielt an einen bestimten Punkt im Garten transportieren lässt. Doch wenn Sie diesen Wasserstrahl zu lange auf eine Stelle halten, zerstören Sie erstens die Pflanzen und spülen den Boden fort und zweitens bekommen Pflanzen in der breiten Fläche nicht genug Wasser.
Die Darstellung und Durchdringung von Inhalten in Social Media Kanälen wandelt sich immer stärker. Denn Facebook, Google, Twitter, YouTube usw. wollen Geld verdienen. Damit wird es immer schwieriger, die Kunden zu erreichen, ohne mit gezielten Kampagnen (und Budgets) Inhalte in den Fokus der Zielgruppen zu pushen.
Menschen zu erreichen wird immer schwerer. Denn mit der ständig steigenden Reichweite von Social Media Kanälen wurde auch die Konkurrenz innerhalb der Kanäle immer größer. Wir ringen um die Aufmerksamkeit unserer Zielgruppen.
Aufmerksamkeit erregen bei Menschen, die sich für unsere Inhalte interessieren
Natürlich wollen wir exzellente Inhalte anbieten. Das ist die Pflicht – 10 historische Beispiele für Content Marketing habe ich Ihnen hier zusammen gestellt. Doch damit dieser aufwändig produzierte Content einen Effekt erzielt, muss er erst einmal in den Fokus der Zielgruppe kommen. Das ist dann die Kür. Ein durchschnittlicher Facebook-User hatte bereits im Jahr 2013 ungefähr 1500 Meldungen! pro Login in seiner Timeline.
Wenn wir die Aufmerksamkeit unserer Zielgruppen als auf großer Fläche, eng gesetzte Pflänzchen betrachten, dann wird uns schnell klar, dass hier ein starker Wasserstrahl aus dem oben erwähnten Gartenschlauch ineffektiv und Ressourcenverschwendung ist.
Übrigens ist die durch die schwer zu erreichende Aufmerksamkeit und breite Streuung der Zielgruppen die Gefahr des Langweilens oder Überfrachtens meiner Meinung nach relativ gering.
Quantität meets Qualität
Das revolutionäre an Social Media war das Wahrwerden von Brechts Radiotheorie: Jeder kann Sender sein. Unternehmen treten in Dialog mit Kunden und aus der typischen eins zu vielen Einbahnstraßenkommunikation wurde eine Viele-zu-viele-Kommunikation.
Insbesondere für exzellente Inhalte ist es tragisch, wenn sie zwischen all den konkurrierenden Inhalten untergehen. Schließlich stehen sie mit Ihren Inhalten im direkten Wettbewerb zu Klatsch und Tratsch, Nachrichten, Sport, andere Unternehmen, Ihre Wettbewerber, Kollegen, Freunde und Familie Ihrer Kunden.
Mindestens genauso wichtig wie hohe Qualität – wenn nicht gar wichtiger – ist es also, regelmäßig Aufmerksamkeit für die hohe Qualität zu erreichen. Dazu bedarf es aber deutlich kleineren Content-Häppchen, die zueinander passen und in zahlreichen verschiedenen Kanälen gespielt werden und auf ein strategisches Ziel einzahlen.
Merken Sie was? Hier kommt der Rasensprenger zum Einsatz. Der dauerhaft kleine Mengen Wasser durch seine vielen Kanäle über eine große Fläche mit Pflänzchen verteilt.
Das Telefonbuch wird wichtiger als die Freundeliste auf Facebook
Haben Sie noch das Gefühl, die Kontrolle darüber zu behalten, was Sie in Ihrer Facebook-Timeline sehen? Oder in Ihrem Twitter-Feed? Oder in den Suchergebnissen bei Google? Selbst im E-Mail-Postfach wird es schon schwierig die Trennlinie zwischen den gewünschten und angeforderten und den ungefragten Informationen zu unterscheiden.
Das ist der Grund, warum immer weniger junge Digital Natives auf Facebook oder Twitter aktiv sind. Viele wollen gar keine brechtschen Sender sein und große Reichweite aufbauen. Besonders junge Menschen wollen sich einfach nur mit Ihren Freunden und Bekannten austauschen. Über sichere, exklusive Verbindungen. Und dort kann man nicht einfach so reinplatzen, sondern hier höhlt steter Tropfen den sprichwörtlichen Stein.
Das persönliche Adressbuch der Nutzer ist dabei der Gartenzaun, der die echten Kontakte schützt. Wir kennen das alle: Twitter, Facebook, XING, LinkedIn: Überall haben wir verschiedenste Verbindungen zu anderen Menschen. Verbindungen, die Mark Granovetter in seinem über 40 Jahre alten Essay Weak Ties (hier als PDF-Dokument) nannte. Die strong ties – also starken Verbindungen – finden sich digital am ehesten in den persönlichen Telefonbüchern auf Smartphone oder Computer.
Kanäle gezielt miteinander verbinden
Schauen wir noch einmal auf unser Beispiel der Gartenbewässerung: Das Wurzelwerk unserer Pflanzen stellen ein ebenso engmaschiges Netzwerk dar, wie unsere Kommunikationskanäle. Und sie beeinflussen sich gegenseitig.
Ein Tweet kann zu einem Bild auf Instagram führen, das wiederum auf Facebook geteilt wird, gemeinsam mit einem Verweis auf eine Landingpage, die das eigentliche Produkt anteasert. Dort findet der Nutzer wiederum ein YouTube-Video des Produkts usw.
Doch auch verschiedene Unternehmens-Kanäle können gezielt mit einander verbunden werden und sich gegenseitig unterstützen. Die Karriere-Kanäle verweisen auf Produkt-Kanäle und umgekehrt. Internationale Tochtergesellschaften greifen gegenseitige Themen auf und sorgen dadurch für Social Signals, die wiederum Interaktionen, Sichtbarkeit und Reichweite erzeugen.
Was bedeutet das nun alles?
Sie fragen sich jetzt sicher, was Sie mit diesen Informationen für Ihr Unternehmen anfangen sollen? Mit Recht.
Letzten Endes bedeutet ein breiterer Einsatz von feiner strukturierten Inhalten natürlich immer eins: Mehr Arbeit.
Dem lässt sich auf unterschiedliche Weise begegnen: Sie können sich Verstärkung holen und Teams vergrößern. Sie können externe Unterstützung beauftragen um Sie bei der operativen Arbeit zu entlasten. Und sinnvoller Weise strategische Prozesse entwickeln, mit denen die Arbeit automatisierbar oder zumindest einfacher ausführbar wird.
So können Sie vorgehen:
- Content Audit durchführen
- Inhalte feiner aufteilen
- Mehr Kanäle noch gezielter bespielen
- Ähnliche Aussagen häufiger wieder aufgreifen
- Technische Lösungen zur automatischen Verbreitung und Auswertung einsetzen
Auch steter, kleiner Tropfen aus dem Rasensprenger höhlt den Stein – beziehungsweise: Lässt die Social Media Landschaft wachsen und aufblühen 😉
Derzeit ist die Qualität in Social Media so hoch, dass ein Herausstechen und Aufmerksamkeit erregen durchaus über Quantität möglich ist.
Und wenn das alle machen?
Auch das ist eine berechtigte Frage. Lassen Sie es mich abschließend so sagen:
Natürlich steigt das Grundrauschen durch ein mehr an (qualitativ hochwertigen) Einzelmeldungen auf noch mehr Kanälen deutlich an. Solange dadurch eine messbar höhere Aufmerksamkeit erreicht werden kann und durch Mehrfachverwertung bereits bestehender Inhalte der Aufwand gering bleibt, ist es eine Methode, die in Betracht gezogen werden sollte.
Spätestens wenn ein kritisches Maß an Grundrauschen von hoher Qualität erreicht ist, wird vermutlich wieder die Qualität eine Stellschraube sein, mit der wir ein Alleinstellungsmerkmal erzielen können.
Dann kommt auch wieder der Gartenschlauch zum Einsatz 😉
Übrigens gibt es ja auch noch die gute, alte Gießkanne, ganz ohne Automatisierung. Aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema.
* Artikelbild Summertime by Eric Sonstroem (CC BY 2.0)
Soweit ich weiß sind Social Media Aktivitäten kein Rankingfaktor, zumindest nicht bei Google. Es ist nur so, dass Google gute Inhalte erkennt und User gute Inhalte gerne teilen. Der Zusammenhang kann eher in die andere Richtung gehen. Durch mehr Traffic von Google gibt es auch mehr Likes.