“KommunikatorIn 4.0 – Zukunft eines Berufsfeldes” hieß der vielversprechende Titel der diesjährigen BdP-Sommerakademie, für die sich der Bundesverband der deutschen Pressesprecher das großartige München, genauer gesagt die altehrwürdigen Hallen der Ludwig-Maximilians-Universität, als Treffpunkt ausgesucht hatte.„Rückblick auf die BdP Sommerakademie 2017“ weiterlesen
Das Finale der HR Sommerakademie nach zwei intensiven Tagen zu den Themen Employer Branding und Recruiting hatte es in sich: Personalentwicklung und eine Unternehmsbesichtigung des Online-Spieleentwicklers Wooga standen am Freitag, 18. Juli 2014 auf dem Programm.
Talente erkennen leicht gemacht?
Wie findet man in kurzer Zeit die richtigen Talente und identifiziert deren Entwicklungpotential? Jedenfalls nicht, indem man auf’s falsche Diagnostikverfahren setzt. Um die Auswahl und den Einsatz erfolgreicher Personaldiagnostikverfahren ging es im Workshop mit Rüdiger Maas (Maas Beratungsgesellschaft mbH). Sogenannte eignungsdiagnostische Verfahren gibt es wie Sand am Meer: von biografischen Fragebögen, Assessment Centern über seriöse Persönlichkeitstests wie dem BIP, MBTI, Big Five, bis hin zu fast schon esoterisch graphologischen Analysen und dem Rorschach-Test. Wer (vermeintlich) wissenschaftliche Diagnostikverfahren in der Personalauswahl oder -entwicklung einsetzen möchte, sollte diese vorab einer Prüfung der drei Gütekriterien für wissenschaftliche Tests unterziehen:
Objektivität: Sind die Ergebnisse und Interpretation der Ergebnisse unabhängig vom Leiter der Untersuchung?
Reliabilität (Zuverlässigkeit): Erzielen wiederholte Messungen mit dem identischen Messverfahren die gleichen Messwerte?
Validität (Gültigkeit): Misst das Verfahren, tatsächlich die Werte, die es messen soll?
Zum Abschluss durften alle Workshop-Teilnehmer einen eigenen Perönlichkeitstest ausfüllen und vor Ort auswerten lassen. Lustigerweise nahmen alle Teilnehmer den Test ernst und füllten nach bestem Wissen und Gewissen aus. Uns war natürlich nicht bewusst, dass wir zur Verdeutlichung der eingeschränkten Sinnhaftigkeit vieler Tests jeweils willkürlich verteilte “Auswertungen” von Herrn Maas zurück bekamen. Besonders interessant dabei: Fast wie bei einem Tageshoroskop fand sich fast jeder von uns irgendwie in den Charakterisierungen der Einzelauswertungen wieder 🙂
Und so haben wir alle noch eine ganz eigene Erfahrung mit unwissenschaftlichen Diagnoseverfahren, willkürlichen Auswertungen und “forced choice”-Fragebögen gesammelt 😉
Alt lernt von jung
Mit “Reverse Mentoring” stellte Holger Hiltmann von der Merck KGaA einen innovativen Trainingsansatz vor, bei dem das Thema Mentoring einmal erfrischend anders interpretiert wird.
Mentoring: Tätigkeit einer erfahrenen Person (Mentor/in), die ihr fachliches Wissen und ihre Erfahrungen an eine unerfahrene Person (Mentee) weitergibt.
Gabler Wirtschaftslexikon
Klassischerweise ist Mentoring hierarchiegebunden: Erfahrene = ältere Kollegen geben ihr Wissen an unerfahrene = jüngere Kollegen weiter. Doch auch die Jüngeren haben etwas zu sagen, z.B. bei dem Thema Social Media. Bei Merck werden daher die klassischen Rollen vertauscht: Hier lernen Führungskräfte von Auszubildenden, wie Kommunikation im Web 2.0 funktioniert und welchen Nutzen diese für das Unternehmen bringen kann. Der hierarchiefreie Personalentwicklungsansatz hatte bei Merck dabei Vorteile für beide Seiten:
Enormer Lernfortschritt für die Mentees/Führungskräfte
Positionierung von Ausbildung in der obersten Führungsebene
Erhöhte Sichtbarkeit der Auszubildenden im Unternehmen
Netzwerkmöglichkeiten für Azubis
Realistische Einschätzung von Möglichkeiten und Einschränkungen bei der unternehmensbezogenen Nutzung von Social Media
Von Fehlern, Hierarchie und Wohlfühl-Atmosphäre
Zum Abschluss der drei Akademietage waren wir zu Gast bei dem jungen Unternehmen “Wooga”, einem Online-Spielehersteller mit Berliner Sitz in einer alten Backfabrik. Für mich war dies ein besonders interessanter Termin, weil ich mit hohen Erwartungen (“Das wird bestimmt wie bei Google!”) und konkreten to do’s (“Achte mal drauf, was die so im Kühlschrank haben”) zur Unternehmensbesichtigung gekommen war.
Inspirierend finde ich vor allem die Fehlerkultur bei Wooga, die zwangsläufig aus dem Kerngeschäft resultiert: Um ein bis zwei erfolgreiche Online-Spiele pro Jahr zu veröffentlichen, sind Dutzende Spiele-Prototypen notwendig, die im Laufe des Entwicklungsprozesses verworfen werden müssen. Die Aufarbeitung von gescheiterten Projekten ist ein wichtiges Thema und hat dementsprechend auch zeitlich einen hohen Stellenwert bei der täglichen Arbeit.
Darüber hinaus habe ich während der Führung durch die kunterbunte Wooga-Welt viele Parallelen zu comspace entdeckt:
„Hierarchie ist uns nicht so wichtig. Es geht um Expertise, nicht um Titel.”
Maike aus der Wooga-PR-Abteilung
Der aufmerksame Leser denkt natürlich sofort an das Reverse Mentoring-Programm von Merck. Mir fällt dabei aber auch das comspace Recruiting ein: Wir führen schon lange unsere Vorstellungsgespräche “auf Augenhöhe”, also hierarchiefrei mit Kollegen aus dem jeweiligen Fachbereich, die am besten beurteilen können, ob ein_e Bewerber_in fachlich zu der offenen Stelle passt.
Was bei Wooga tägliche “5 minutes of fame” sind, findet bei uns monatlich statt und nennt sich c42.
Eine weitere Gemeinsamkeit von Wooga und comspace ist die Arbeitskultur. Wer ein offizieller “guter Ort zum Arbeiten” (oder neudeutsch “GOODplace”) sein möchte, muss seinen Mitarbeiter_innen einiges bieten, z.B. ein coolesBüro in zentraler Lage, Mitbestimmung, einen stets gut gefüllten Kühlschrank, Familienfreundlichkeit, gemeinsame Aktivitäten (bei comspace wird gegrillt, gegärtnert, geschaut und gefeiert), flache Hierarchien und professionelles Onboarding. Was comspace noch zum GOODplace macht und was Arbeiten mit Ausprobieren zu tun hat, steht auch in unserer Unternehmens-Story.
Mein Fazit zur HR-Sommerakademie
3 Tage voller Vorträge, Workshop und Diskussionen haben mich mit einigen Ideen, vielen Fragen und einer langen to-do-Liste zurückkehren lassen.
Das Thema Employer Branding beschäftigt uns bei comspace schon seit einiger Zeit; der Bewerbungsprozess im Rahmen der GOODplace-Auszeichnung sowie unser Engagement beim Thema Familienfreundlichkeit helfen uns aktuell dabei, unser Profil als Arbeitgeber zu schärfen. Beim Recruiting sind für mich Schlagworte wie Social Media Monitoring und Active Sourcing mehr in den Vordergrund gerückt. Vom letzten Tag der Sommerakademie ist mir vor allem das Thema „Scheitern als Chance“ in Erinnerung geblieben, dem kürzlich auch das Wirtschaftsmagazin brandeins eine eigene Ausgabe gewidmet hat.