Frau Dr. Friers und Herr Camphausen, Sie haben beim 6. HRMForum in der Quadriga zum Thema Arbeitgeberattraktivität und Employer Branding eine Initiative vorgestellt, die Sie gemeinsam entwickelt haben: Teamgeist erleben. Gemeinsam heißt bei Ihnen, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V.
Auf der Webseite zu Teamgeist erleben finden sich erstaunliche, für mich mutige, Statements: „Für meinen Einsatz erwarte ich keine Anerkennung. Ich bekomme sie.“ oder „Meine Kollegen muss ich nicht jeden Tag sehen. Ich will es.“ Und weitere.
Das sind starke Sätze über ein Unternehmen aus dem Klinikbereich. Sie zeigen einen attraktiven Arbeitgeber – für meinen Eindruck auch absolut authentisch – wie es in Ihrem Vortrag beim HRMForum zur Arbeitgeberattraktivität „rüberkam“.
Was war die Ausgangssituation, als Sie die Idee zu „Teamgeist erleben“ entwickelt haben. Welche Herausforderungen wollten – oder mussten – Sie bewältigen?
Dr. Marion Friers: Die Ausgangssituation setzt noch weit vor unserer Employer Branding-Kampagne „Teamgeist erleben“ an, denn bevor wir mit der Kampagne nach draußen gehen konnten, mussten wir erstmal unsere Arbeitgebermarke aufbauen und dazu als Basis eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik einführen. Regionen wie das Rhein-Main-Gebiet sind wie ein Brennglas im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und gerade an hoch qualifizierten Mitarbeitern entscheiden sich Erfolg und Zukunft von Krankenhäusern. Sie entweder für uns zu gewinnen oder bei uns zu halten ist unsere Aufgabe. Genau das passiert bei der mitarbeiterorientierten Personalpolitik. Hinwenden und zuhören, ernstnehmen und einbinden.
Die Herausforderung war ganz klar, dem Fachkräftemangel dauerhaft und mit einem guten Konzept zu widerstehen. Denn zur Konzeptionszeit standen wir kurz davor, aus Personalmangel auf den Stationen Betten schließen zu müssen und konnten außerdem den OP nicht ausreichend mit Pflegepersonal besetzen. Hinzu kam der im Klinikbereich längst vorzufindende Fachkräftemangel und mittlerweile einsetzende demografische Wandel.
Es gab also in vielerlei Hinsicht akuten Handlungsbedarf. Die Positionierung der Arbeitgebermarke der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken ist eine maximal fordernde Langzeitaufgabe zur dauerhaften Platzierung am Arbeitsmarkt. Bezogen auf die Mitarbeiterzahl sind wir vergleichsweise kleine Häuser. Das macht uns agiler und gleichzeitig attraktiver für Fachkräfte.
Beschreiben Sie bitte, was die tragenden Inhalte der Idee sind.
Martin Camphausen: Die Kampagne wird von den vier Werten Teamgeist, Zeit (für Patienten), Qualifikation und Wertschätzung getragen. Werte, weil es die Überzeugungen der Mitarbeiter sind, nicht die der Unternehmensleitung oder der Kommunikationsabteilung. Sie sind auch kein Marketing-Kniff. Mitarbeiterorientierte Personalpolitik heißt eben auch, die Mitarbeiter aktiv einzubinden. Das haben wir getan.
Mitarbeiter aller Berufsgruppen wurden in der Konzeptionsphase befragt, wie sie die Häuser sehen, und was für sie im Arbeitsalltag das Wichtigste ist. Damit auch offen Kritik geäußert werden konnte, erfolgten die Befragungen über Interviews und Workshops durch eine externe Agentur. So konnten wir feststellen, an was wir arbeiten mussten. Nur zu fragen, was die Mitarbeiter gut an unseren Kliniken finden, wäre der falsche Ansatz gewesen. Denn so beschönigt man – und das fällt einem spätestens dann auf die Füße, wenn man über eine Kampagne neue Mitarbeiter eingestellt hat. Denn dann fällt auf, dass Werbebotschaft und Realität nicht zusammenpassen. Wenn das passiert, bricht das über Jahr aufgebaute Kartenhaus des Employer Branding in sich zusammen.
Welche Hürden gab es? Oder welche gab es vielleicht auch überraschenderweise nicht?
Camphausen: Eine große Hürde war, allen Mitarbeitern wie auch Führungskräften klarzumachen, was das Employer Branding mit ihnen zu tun hat. Nämlich die Gewinnung neuer Kolleginnen und Kollegen, die nicht nur das Anforderungsprofil erfüllen, sondern möglichst gut zur Unternehmenskultur passen.
Auch dass wir für unser Employer Branding-Video nicht den Chefarzt in blütenweißem Kittel und strahlendem Lächeln vermarkten wollten, sondern alle Berufsgruppen, die in unseren Kliniken arbeiten, hat uns im Anschluss viele Wochen Überzeugungsarbeit gekostet. Denn das ist für Kliniken absolut nicht normal. Aber es hat sich gelohnt. Von den knapp über 500 Mitarbeitern haben etwa 120 mitgemacht. Das ist prozentual wie reell ein sehr hoher Wert und hat uns als erstes überrascht.
Friers: Hinzu kam die Bereitschaft sehr vieler Mitarbeiter, im wahrsten Sinne des Wortes, Gesicht für ihr Unternehmen zu zeigen. Denn unsere vier Hauptmotive zur Kampagne zeigen ausschließlich eigene Mitarbeiter. Auf die Ausschreibung zur Teilnahme am Kampagnen-Shooting haben wir sehr viele Bewerbungen erhalten. Die Idee dahinter lautet: Wenn man von den Qualifikationen wie auch der Persönlichkeit her passende Bewerber finden möchte, sollte man so echt wie möglich sein.
Eine Aussage, die mir aus Ihrem Vortrag noch nachklingt: Wir sollten aufhören zu steuern und in den Dialog gehen. Wie sieht das konkret aus?
Friers: Damit sind zwei Ebenen gemeint. Zum einen hat man früher in der Kommunikation alles geplant und gesteuert, auch ich komme aus dieser Zeit. Bei der Vielzahl an Kanälen heutzutage ist das aber gar nicht mehr möglich. Viel wichtiger ist, dass man auf das reagiert, worüber sich Bewerber und Patienten im Netz sowieso unterhalten und dass man sich in Debatten einbringt oder gar neue anstößt. Man kann sich vor dem Dialog nicht verstecken, er findet sowieso statt.
Die Frage ist nur, ob man Teil des Austauschs über Themen ist oder außen vor bleibt. Den Dialog zu scheuen, dürfte der größte Managementfehler im Krankenhaus sein. Dabei geht es nicht nur um die Kommunikationsebene im Sinne einer Unternehmenskommunikation. Es geht vielmehr darum, auch intern so transparent wie möglich zu sein, dialogorientiert zu führen, Entscheidungswege darzustellen. So gewinnt man Mitarbeiter für sich – und macht sie am Ende zu den Markenbotschaftern, von denen so viele reden. Man überredet aber niemanden, Markenbotschafter zu werden, sondern muss dazu überzeugen.
Aus der Bewerbersicht heißt die Frage an Markenbotschafter wie auch Unternehmen immer mehr: „Warum soll ich ausgerechnet für Sie arbeiten?“ Wir müssen umdenken, denn die „Bewerber“ bewerben sich vor allem im Bereich der Pflege längst nicht mehr bei uns, sondern wir uns bei ihnen. Also tut man gut daran, ein glaubwürdiges Unternehmen darzustellen, dass man im Dialog mit den vorhandenen Mitarbeitern aufbaut und im Dialog mit Bewerbern und neuen Mitarbeitern und deren Sicht von außen stetig verbessert.
Welches Feedback gab es intern zur Kampagne „Teamgeist erleben“?
Camphausen: Das Feedback war toll. Nach den anfänglichen Fragen, was so eine Arbeitgebermarke eigentlich bringen soll, waren alle hellauf begeistert als es endlich losging. Die Kampagne haben wir multimedial gespielt, aber als die Großplakate mit den vier Motiven und den Kollegen darauf in ganz Frankfurt hingen, war eine ganz besondere Aufbruchstimmung zu spüren. Auch die Veröffentlichung des Kampagnen-Videos auf YouTube haben alle mit Spannung erwartet. Wir sind ständig angesprochen worden, wann es endlich soweit ist.
Dass die Mitarbeiter über das gesamte Jahr aktiv hinter der Kampagne gestanden haben, zeigt sich auch an ihren Selfies vor den Außenwerbungsmaßnahmen, die wir auf Facebook veröffentlicht haben. Alle standen und stehen hinter „Teamgeist erleben“, denn es sind die Werte der Mitarbeiter, die dort präsentiert werden. Dadurch sind alle Teil dieser Kampagne, weil sie Ausdruck des gelebten Alltags unter den Kolleginnen und Kollegen ist. Und das ist etwas ganz Besonderes.
Wie nachhaltig wirkt sich die Initiative aus?
Friers: Wir haben viele neue Mitarbeiter über die Kampagne eingestellt. Beim Stichwort Candidate Experience freut uns, dass unser Kurzbewerbungstool auf der Microsite zu aktiven Kampagnenzeiten sehr gut angekommen ist und auch ohne aktives Bewerben unsererseits immer noch verwendet wird.
Die Bewerbungen sind insbesondere in der Pflege qualifizierter geworden und die Zahl der Initiativbewerbungen ist in allen Bereichen enorm gestiegen. Die Bewerbungszahlen insgesamt konnten wir zu aktiven Zeiten um 45% steigern.
Camphausen: Gleichzeitig war der Image-Zugewinn enorm, weil wir den First-Mover-Effekt mitnehmen konnten. Denn für Kliniken war bis dato Employer Branding und umso mehr multimediales Employer Branding eine Achillesferse.
Was können andere Unternehmen von Ihrer Idee lernen?
Friers: Ich tue mich schwer damit, anderen zu sagen, wie sie es machen sollen. Gerade beim Employer Branding muss jeder für sich herausfinden, wer er ist. Man muss seine Besonderheiten herausstellen. Und die sind so individuell wie die Arbeitgeberlandschaft. Niemand weiß besser, wie der Arbeitsalltag aussieht, als die Mitarbeiter. Also bindet man sie aktiv in die Wegfindung zur Arbeitgebermarke ein. Der Rest passiert individuell.
Camphausen: Da kann ich mich nur anschließen. Für den Krankenhausbereich würde ich noch ergänzen: Investiert in Ideen, hört auf in Silos zu denken und seid endlich mutiger bei Marketing und Kommunikation.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Dr. Marion Friers ist Geschäftsführerin Personal, Pflege & Kommunikation des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. Die promovierte Politikwissenschaftlerin verfügt über ein breites Spektrum an Führungserfahrungen in unterschiedlichen Branchen und hohe Fachkompetenz im Bereich Unternehmenskommunikation, Personalmanagement, Personal- und Organisationsentwicklung sowie Veränderungsmanagement.
Martin Camphausen ist Leiter Unternehmenskommunikation und Pressesprecher des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. und verantwortet neben der Kommunikation auch das Employer Branding sowie das Personal- und Rekrutierungsmarketing. Vor seiner Zeit im Krankenhaus hat Camphausen in der Politik gearbeitet.
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