In der vergangenen Woche haben Eva und Andreas erläutert, warum sich comspace ein Konzept zur Corporate Political Responsibility gibt. Hier möchten wir euch nun vorstellen, wie wir vorgegangen sind und warum es uns enorm wichtig war, möglichst viele Menschen bei comspace mitzunehmen.
Wir haben mit den beiden Projektverantwortlichen für CPR bei comspace gesprochen: Sarah Biendarra (People & Culture) und Sören Witt (Public Affairs and Network).
Was war der Anlass, euch mit der politischen Verantwortung von comspace zu beschäftigen?
Sarah: comspace hat in den mehr als 20 Jahren Unternehmensgeschichte schon immer offen eine gesellschaftspolitische Haltung gezeigt. Ich selbst bin seit über neun Jahren Teil des Teams und kann einige Aktionen aufzählen, die die Kolleg*innen initiiert und mitgestaltet haben: Fridays for Future Demonstrationen, Hilfsgüterpakete für die Menschen in der Ukraine, der nach außen hin sichtbare “Nazis raus” Schriftzug an unserem Bürofenster. Wir engagieren uns in Situationen, in denen wir es für richtig halten – und comspace schafft den Rahmen dafür.
Sören: Als im Juni 2023 das erste Mal ein AfD-Politiker eine Landratswahl gewonnen hat, war für uns klar, dass wir mehr brauchen als loses Engagement. Zum Glück hat die Geschäftsleitung klar gesagt: Wir wollen Haltung zeigen und konkret werden, und nicht nur ein Betroffenheitsstatement veröffentlichen. Also haben wir uns auf die Suche nach einer fundierten Lösung gemacht und sind so zum Thema Corporate Political Responsibility gekommen.
Was ist Corporate Political Responsibility genau?
Sören: In vielen Unternehmen sind bereits Konzepte für Corporate Social Responsibility (CSR) verankert. Darunter werden Initiativen verstanden, die sich für sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften einsetzen. Corporate Political Responsibility setzt hier an und ergänzt die Dimension der politischen Handlungsfähigkeit. Politisch handelt ein Unternehmen dann, wenn es für eine nachhaltige demokratische Entwicklung eintritt. Im Kern geht es für uns darum, das funktionierende demokratische Gebilde zu erhalten und zu stabilisieren. Eine starke Demokratie ist die Basis für den wirtschaftlichen Wohlstand. Im Prinzip geht es also um die Sicherung der eigenen Wirtschaftsfähigkeit.
Wie seid ihr bei der Erarbeitung eures CPR-Konzepts vorgegangen?
Sarah: Im ersten Schritt haben wir uns mit den öffentlich verfügbaren Infos schlau gemacht und sind dem empfohlenen Vorgehen gefolgt, als Grundlage ein Statement von der Unternehmensführung auszuarbeiten. Hierzu haben wir der Geschäftsleitung einen Fragebogen geschickt, den wir nach dem “Start with Why”-Framework aufgestellt haben. Aus den individuellen Antworten haben wir ein schriftliches Konzept ausformuliert, das unsere Haltung und mögliche Umsetzungsfelder beschreibt. Im zweiten Schritt war uns die interne Beteiligung total wichtig, deswegen haben wir alle Kolleg*innen in unterschiedlichen Formaten informiert, diskutiert und das Konzept Schritt für Schritt weiter verbessert.
Wie habt ihr das konkret gemacht?
Sören: Wir haben den Konzeptentwurf allen Kolleg*innen zur Verfügung gestellt und in unterschiedlichen moderierten Formaten Feedback dazu eingeholt. In einer Session bei unserem unternehmensweiten Open Space haben wir mit der 1-2-4-all-Methode Feedback zum Konzept eingeholt und eingearbeitet und dann die aktualisierte Version wieder in so einem Workshop besprochen. Parallel haben Sarah und ich “Ask me Anything”-Sprechstunden angeboten, bei denen wir individuelle Rückmeldung bekommen haben und inhaltliche Fragen klären konnten. Den jeweils aktuellen Konzeptstand dokumentieren wir in unserem internen Wiki und sind immer für individuelle Anfragen über Slack erreichbar. Mittlerweile ist unser Konzept so weit ausgereift, dass wir intern konkrete Maßnahmen umsetzen und extern in den Austausch gehen wollen.
Welche Maßnahmen habt ihr für die interne CPR-Umsetzung konkret geplant?
Sarah: Aus den verschiedenen Feedbackrunden haben wir mitgenommen, dass es vielen Kolleg*innen wichtig ist, den gemeinsamen Austausch zu stärken, Wissen aufzubauen und unsere individuelle Handlungsfähigkeit zu erhöhen. Deswegen sind wir dem Projekt des Business Council for Democracy der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung beigetreten. Innerhalb dieses Netzwerks können wir unseren Kolleg*innen ab dem kommenden Jahr Online-Schulungen zu den Themen Hate Speech und Verschwörungserzählungen anbieten. Ganz konkret evaluieren wir gerade auch Schulungen zum Thema “Unconsious Bias”, die wir für unsere Kolleg*innen in Schlüsselpositionen, z.B. Teamleitung, planen. Und natürlich auch für uns als People & Culture-Team, denn wir haben eine besondere Verantwortung für diskriminierungsfreies, integratives Arbeiten.
Und als dritten Baustein schauen Sören und ich gerade, in welchen internen Formaten wir weiter “Demokratie üben” können. Wir haben z.B. einen discuss-Channel im Slack, den wir stärker für Austausch über politische Themen nutzen möchten. Und in unserem regelmäßigen Open Space werden wir ab sofort die “Demokratie-Werkstatt” anbieten. Mit diesem Format möchten wir Raum schaffen für Erfahrungsaustausch und gemeinsames Lernen zu demokratiebezogenen Themen.
Welche Tipps habt ihr für Unternehmen, die sich mit Corporate Political Responsibility beschäftigen möchten?
Sören: Der sogenannte “Tone from the Top” ist unserer Erfahrung nach sehr wichtig. Eine CPR-Strategie braucht Unterstützung aus der Unternehmensführung, damit sie wirksam sein kann. Genauso wichtig ist im zweiten Schritt die Einbeziehung der Kolleg*innen. Die konkrete Art und Weise hängt dabei natürlich vom jeweiligen Unternehmen ab. Wir haben erst beim Tun gemerkt, wie facettenreich das Thema ist und dass eigentlich jede Person individuelle Bezugspunkte zu politischer Verantwortung hat – im Arbeitskontext und darüber hinaus. Deswegen war es für uns hilfreich, diese Perspektiven einzufangen und bestmöglich zu integrieren. Und das ist es ja auch, was Demokratie an sich leisten sollte.