Im Frühjahr 2021 hat das US-amerikanische Unternehmen Crownpeak Technology Inc. unseren CMS-Partner e-Spirit von der Adesso übernommen. In diesem Interview mit unserem Partner Manager Roy Kraft ordnet dieser die Übernahme ein und wagt einen Blick auf die Zukunft von e-Spirit.
Roy, du warst lange Partnermanager bei Open Text und zuletzt bei e-Spirit. Du hast eine Vielzahl von Übernahmen und Fusionen im Markt gesehen und erlebt. Wie schätzt du die Übernahme von e-Spirit durch Crownpeak ein?
Ich sehe die Übernahme mittelfristig positiv. Mittelfristig deshalb weil am Beginn einer Übernahme immer zuerst ein paar Hindernisse zu bewältigen sind. Positiv, weil e-Spirit als Softwarehersteller immer durch die Konzernmutter adesso ein wenig ausgebremst wurde. Als Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen hat adesso ein völlig anderes Geschäftsmodell als ein Softwarehersteller.
Die zugestandene Summe für Investitionen in die Weiterentwicklung der Software und der Firma, in Kombination mit geringerem Cash Flow wegen der Umstellung auf SaaS, endete mit einem deutlich größeren Verlust als geplant.
Dafür wird dann aber der Verkauf von e-Spirit im Geschäftsjahr 2021 25 Mio. Euro in die Bilanz einfließen lassen. Das Geschäftsmodell der hinter Crownpeak stehenden K1 Investment Management LLC passt sehr gut zu e-Spirit. Letztendlich sind Investitionen in Software-Unternehmen das Kerngeschäft von K1 und sie verdienen damit Geld.
Augenscheinlich passen beide Technologien nicht zusammen. Kann eine Zusammenarbeit trotzdem funktionieren und wie kann e-Spirit davon profitieren?
Java vs .NET, genau wie bei der Übernahme von Magento durch Adobe. Aber bei Adobes Übernahme von Magento ist der Shop-Hersteller eine Ergänzung zum Kernprodukt, hier haben wir aber zwei gleiche Produkte. Laut e-Spirit geht es bei der Übernahme um „Eins und Eins ist Zwei”. Es sollen also beide Produkte weiter bestehen bleiben.
Am Anfang wird e-Spirit sicherlich am meisten von der Cloud-Erfahrung Crownpeaks profitieren. Verglichen mit den Kolleg*innen von e-Spirit haben die Leute von Crownpeak mehr Erfahrungen sammeln können, weil ihr Produkt von Anfang an eine SaaS-Lösung ist und sie somit mehr Erfahrung haben.
Mittelfristig wird e-Spirit mehr Kunden und Partner in Nordamerika gewinnen, was auch für deutsche Kunden positiv ist. Im Gegenzug wird es sicherlich auch für Crownpeak einfacher Kunden in Europa zu gewinnen. Und bereits verfügbare Crownpeak-Addons werden wohl auch für e-Spirit angeboten. Und langfristig werden sicher weitere Produkte hinzukommen, die mit e-Spirit gut integrierbar sind. Entweder durch Zukauf oder durch eigene Entwicklung. Es sollte ja jetzt mehr Kapital für Investitionen zur Verfügung
stehen.
Crownpeak ist auf dem europäischen Markt nur Insidern bekannt. Nutzt Crownpeak die Chance und bietet jetzt sein Produkt auf dem europäischen Markt an?
Crownpeak gab es in Europa bis jetzt nur in UK. Sie sind sonst noch ganz gut im Commonwealth unterwegs: Kanada, Australien, Neuseeland, Malta. Der Versuch eine Niederlassung in DACH aufzubauen, misslang und wurde nach 12 Monaten in 2019 eingestellt. Ich gehe davon aus dass die Crownpeak DXP im DACH Markt bald angeboten werden wird. Es werden wohl Zielgruppen definiert werden, die vor allem auf den Architekturen basieren dürften: Ist ein potentieller Kunde .NET-Fan, wird Crownpeak angeboten, ist er Java-Liebhaber wird es e-Spirit sein.
Produktentwicklung und Kundenanforderungen waren bei e-Spirit immer sehr eng verzahnt und eine echte Stärke des Unternehmens. Wird sich deiner Meinung nach durch die Übernahme etwas verändern?
Dazu kann ich leider nichts sagen, das hängt aus meiner Sicht sehr stark mit dem Standing von der e-Spirit Produktentwicklung beim Ravi Kumaraswami, CEO von Crownpeak, ab. Aber mit ein wenig Glück könnte sich die Reaktion auf Kundenanforderungen sogar verbessern, da jetzt wahrscheinlich mehr Geld in die Produktweiterentwicklung investiert werden kann.
Wenn du eine Glaskugel hättest, wie wird sich e-Spirit in den nächsten 12, 24 und 36 Monaten verändern?
Im nächsten Jahr wird es keine nach außen sichtbaren Veränderungen geben. Man wird sich auf die nötigen Veränderungen der Organisation, der internen Prozesse und die mittelfristige Strategie für die Produktentwicklung konzentrieren. 2023 werden wir dann die ersten richtigen Versuche sehen, Crownpeak in klassischen e-Spirit-Märkten wie Deutschland zu verkaufen. Die AddOn Produkte von Crownpeak z.B. für Quality Management werden in FirstSpirit integriert sein. Und man wird einen e-Commerce-Anbieter kaufen. Content und Commerce wachsen immer weiter zusammen, da wird Crownpeak wahrscheinlich schon jetzt auf der Suche sein.
Ab 2024 können wir dann mit einer Zusammenführung der DXPs in irgendeiner Art rechnen. Ob nun die eine Lösung in die andere integriert wird oder eine Art Meta-Lösung gebaut wird, darüber können wir heute nur spekulieren.
K1 Capital erinnert zunächst an das kanadische Unternehmen OpenText, das damals RedDot übernommen hat. Gibt es wirklich Parallelen oder verfolgt K1 Capital ganz andere Ziele?
Nein, es gibt aus meiner Sicht keine Parallelen, OpenText ist tatsächlich ein Software-Hersteller und verdient sein Geld mit Software. Allerdings hatte man sich anfangs darauf spezialisiert das Geld mit Wartungsverträgen zu verdienen. Viele Produkte der aufgekauften Software-Anbieter wurden leider nicht weiterentwickelt, man hat einfach nur die Wartung kassiert. K1 Investment ist ein Investor, sie verdienen ihr Geld mit Kauf und Verkauf von Software-Firmen. Also werden sie sich Mühe geben, den Wert von
e-Spirit in überschaubarer Zeit zu verdreifachen.
Einige CMS-Hersteller haben sich zu wahren Wundersuiten entwickelt. Werden wir diese Entwicklung auch bei e-Spirit erleben oder wird das Unternehmen weiterhin erfolgreich den Bestof-Breed-Ansatz verfolgen?
Da beide Hersteller sich rühmen „Headless”-Produkte anzubieten, denke ich, dass es weiterhin ein Best-of-Breed-Angebot geben wird. Beide Produkte lassen sich schnell und gut mit anderen Produkten integrieren. Und das wird in Zukunft noch lautstärker als jetzt vermarktet werden. Beispiel ist der Hype den beide Marketingabteilungen zu ihren salesforce.com Integrationen erzeugen. K1 Investment wird weitere Softwarehersteller kaufen. Sollte ein eingekauftes Produkt als Ergänzung für Crownpeak und e-Spirit nutzbar sein, war dies sicherlich ein wichtiges Kriterium für die Kaufentscheidung, und somit kann es also gut sein dass wir mittelfristig eine Wundersuite bekommen :-).
Ein Kandidat wäre zum Beispiel Accessible. K1 hat das israelische Startup gerade mit 28 Mio. Dollar unterstützt. Eine Integration der Lösung für Web Accessibility Management in Crownpeak besteht schon.
Der Erfolg von e-Spirit war auch darin begründet, dass man immer ein starkes Partnernetzwerk hatte und Kunden zwischen verschiedenen Dienstleistern eine echte Wahl hatten. Wird sich deiner Meinung nach daran etwas ändern?
Ich bin mir sicher das sich im Partnernetzwerk von Seiten des Anbieters nicht viel verändern wird. Sicher will man mittelfristig in andere europäische Märkte expandieren, dann sollten einige Partner in diesen Ländern hinzukommen. Kein DXP Hersteller kommt ohne Partnernetzwerk aus. Ich bin mir auch sicher, dass das e-Spirit-Partnernetzwerk ein starker Pluspunkt für die Übernahme war. Beim ersten Versuch, in DACH Fuß zu fassen, gab es hier nur einen Sales Manager, der ohne Partner keine Chance hatte.
Über Roy Kraft
Roy Kraft ist seit über 20 Jahren Teil der Content-Management-Szene und bringt tiefe Einblicke in den Markt mit zu comspace. Für RedDot / OpenText und die e-Spirit AG betreute er die Partner-Netzwerke in Deutschland und ganz Europa.
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