Wie geht modernes Arbeiten eigentlich wirklich? Und wie, wenn “alt” nicht automatisch schlecht und “neu” nicht an sich schon gut ist? Oder umgekehrt?
Der erste Modern Workday bei Seibert Media in Wiesbaden stand unter dem Leitgedanken, dass moderne Arbeit nicht durch moderne Tools (allein) entsteht (Tools, die Seibert vertreibt), sondern durch eine entsprechende Kultur. Und dass diese Kultur eben nicht einfach gut wird, wenn sie neu ist – sondern eher besser wird, wenn modern ist.
Ein paar Gedanken, die ich aus Wiesbaden mitgenommen habe, folgen hier.
Modern hat Bestand
Was ist denn dieses Modern? Sehr spannend fand ich die Inspirationen von Jule Jankowski. Als Podcasterin „Good Work” und als Autorin von „Zwischen Alt und Neu liegt Gut“ befasst sie sich damit, wie denn gute Arbeit in der Moderne entsteht.
Eines ist wichtig. Gute Arbeit braucht Prinzipien und keine Regeln (oder feste Methoden). Prinzipien sind Haltungen, die Handeln leiten – die aber keine Routinen fest vorgeben. Das Copy-Paste von Prozessen, die irgendwo anders vielleicht gut gelingen, reicht nicht.
Eine Parallele zur modernen Architektur des Bauhauses der 1920er Jahre, die Jule Jankowski zieht, finde ich erhellend. Die Form folgt der Funktion. Wofür ist etwas wichtig. Den Teamtag vor Ort im Büro einführen – um dann wie in der Silent-Disco zu arbeiten, bei der die Kolleg*innen mit Kopfhörern vor den Monitoren hocken –reine Form, aber nicht funktional. Ein Teamtag im Büro mit viel Zeit für den Austausch im team dagegen macht auf jeden Fall Sinn.
Ein anderer Aspekt, der gerade im New Work, immer wieder angesprochen wird, ist die Transparenz. Wenn ich als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin alles weiß, kann ich effektiver arbeiten. Untersuchungen – so im Vortrag dargestellt – zeigen: bis zu einem gewissen Grad hilft den Unternehmen Transparenz bei der Effektivität. Hier gilt, wenn ich das „wofür“ verstehe, kann ich bessere Lösungen entwickeln. Nur dass die Effektivität der Zusammenarbeit unendlich wächst, je transparenter alles wird, ist ein Mythos. Denn zu viele Informationen und insbesondere Informationen, auf die ich gar nicht adäquat reagieren kann, stören die Effektivität massiv.
Wenn die Form der Funktion folgt, kann etwas auch Bestand haben. Noch heute gelten viele Werke der Bauhaus-Architektur als Meisterwerke – und sind attraktiv. New Work kommt vielleicht in die Jahre – modernes Arbeiten eher nicht.
Eine Gruppe darf eine Gruppe sein
Als Organisationsentwickler hadere ich häufiger mit dem Umstand, dass in der Aufbau-Organisation Menschen in einer Organisationseinheit zusammengefasst sind, die mehr Verbindungen nach außen haben als in die eigene Organisationseinheit. Diese arbeitet eben nicht als interdisziplinäres Team zusammen. Sondern ist eher nur lose und sporadisch mit gemeinsamen Themen befasst. Bislang hat eine solche Situation bei mir den Reflex ausgelöst, auch hier in die Team-Entwicklung zu gehen, etwa durch den Versuch, Team-Routinen zu etablieren.
Jule Jankowski hat aus ihrer Erfahrung berichtet. Auch wenn im New Work Ansatz viele solcher Team-Routinen zum Must-have gehören: Es ist ok, wenn eine Gruppe einfach „nur“ eine Gruppe ist. Die muss z.B. nicht in einem Scrum-Artigen Routine Leerlauf von Daily-Stand-Ups von den Fortschritten und Hindernissen beim Arbeiten sprechen, von denen der Rest der Gruppe eh nicht tangiert ist.
So befreit als Gruppe können dann die Menschen die Vorteile einer Gruppe wirklich nutzen. Dort wo es Sinn macht; etwa eine kollegiale Fallberatung initiieren, sich gegenseitig ermutigen ohne ein zu viel an leeren Routinen.
Übrigens Gruppen finden sich in der Regel dann auch so in der Praxis zusammen – sie können als Gruppe funktionieren ohne unbedingt ein Team werden zu müssen.
Selbstorganisation
In einer weiteren Session stand noch einmal das Thema „Selbstorganisation braucht Selbstführung – Den Menschen auf dem Weg zu Modern Work mitnehmen“ auf der Agenda. Schon durch die Ergebnisse einer Master-Arbeit hier bei uns – also den Kolleg*innen von comspace – sensibilisiert, bleibt die Selbstführung eine Kernkompetenz in der künftigen Arbeitswelt. In seiner Session hat Kamil Barbarski noch einmal deutlich gemacht, dass gerade im remote und hybriden Kontext diese Selbstführung der Erfolgsfaktor ist. Dabei geht es auch nicht darum, die Führungskräfte von der Aufgabe freizusprechen, remote gut zu führen – nur liegt eben die Verantwortung inzwischen auch bei jedem und jeder selbst.
Die eigene Aufmerksamkeit zu regulieren, lässt sich nicht von jetzt auf gleich erlernen. Denn Selbstführung brauch Selbstreflexion – und kann etwa auch mit Peer-Coaching verbessert werden. Der Autopilot auf kognitiver, emotionaler, körperlicher Ebene kann aber abgeschaltet werden und einem bewussten Aufmerksamkeitsmanagement weichen. Und hier sind kleine Work- oder Life-Hacks super hilfreich. Wie etwa die Meditation in drei Atemzüge.
- Atemzug – Fokus auf den Atem
- Atemzug – Körper entspannen
- Atemzug – Frag dich: Was ist jetzt wirklich wichtig
Und schon bin ich wieder voll auf das Verfassen dieses Blogbeitrages fokussiert.
Funktioniert echt. Ganz ohne Esoterik.
Neben- oder Nach-Gedanken
„There is no free lunch!“ Das gilt in gewisser Weise auch, wenn Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen im B2B Sektor verkaufen, Kunden und solche, die es potenziell werden könnten, zu einer Fachtagung einladen – bei freiem Eintritt, mit lecker’ Kaffee, Imbiss, Mittag und Kuchen: und reichlich Futter zum Nachdenken. Das gab es bei Seibert Media „for free“.
Was den ersten Modern Work Day bei Seibert so sympathisch gemacht hat: Als Veranstalter haben sich die Menschen von Seibert durch Kompetenz und relevante Inhalte präsentiert – auch wenn sie als Mitarbeiter*innen ziemlich sichtbar waren – Branding halt. Zugleich wurde nur zurückhaltend der Werbe-Jingle abgespult. Produkt-Präsentation neben und Produkt nahe Sessions parallel zu weiteren Sessions anzubieten finde ich ok in diesem Rahmen. (Denn das kenne ich auch anders: Das Unternehmen mit „New Work“ im Namen bringt es ja immer wieder dreist fertig, für seine Werbeveranstaltungen auch noch heftige Ticketpreise aufzurufen.)
Und noch etwas – zum Abschluss möchte ich erwähnen, was ich gleich zu Beginn gut gelungen fand – und eine Einladung zum Nachmachen ist. Mit einem Code of Conduct Video wurden wir zur Veranstaltung begrüßt. Dabei ging es um eine wichtige Seibert Botschaft: „Wir möchten unseren Teilnehmer*innen eine belästigungsfreie Eventerfahrung bieten …“ Das ist ja selbstverständlich – denkt man(n). Zumal als älterer weißer Mann machst du solche Erfahrungen ja nie selber. Allerdings habe ich das vor einigen Jahren bei einer Bekannten – wir waren gemeinsam auf einem hochseriösen Event – sozusagen live schon einmal mitbekommen und konnte es nicht fassen, diese absolut übergriffige ekelige Anmache. Wie Seibert die Botschaft „nicht bei uns!“ herüberbringt – das passt!
Also kurz: Danke @SeibertMedia für alles!
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