Einen Wahl-O-Maten zu entwickeln gehört nicht gerade zu unseren Alltagsprojekten. Normalerweise realisieren wir komplexe Webprojekte, implementieren CMS-Lösungen und programmieren aufwändige Schnittstellen.
Trotzdem – oder gerade deshalb – hat uns die Beteiligung an dem Projekt der Wahltraut, einer Wahl-O-Matin für die Bundestagswahl 2021 mit dem Fokus auf feministischen und gleichstellungspolitischen Themen, in vieler Hinsicht begeistert. Denn es war ein Projekt, das unserem Bedürfnis entgegenkam, über den Agentur-Tellerrand zu blicken und uns als Unternehmen immer wieder auch gesellschaftlich zu engagieren. Dass wir einen Teil unserer Arbeitszeit für ein solches Pro Bono-Projekt einsetzen dürfen, sehen wir keinesfalls als selbstverständlich an. Für uns ist es zugleich Bereicherung und Teil unserer Corporate Digital Responsibility.
Entstanden war das Projekt über einen Kontakt zu Sally Lisa Starken, einer der Initiatorinnen der Initiative #stattblumen, die Wahltraut aus der Taufe gehoben haben (in diesem Interview mit Sally Starken erfahren Sie mehr über die Idee und Entstehung zur Wahltraut). Mit einem interdisziplinären Projektteam haben wir die digitale Entscheidungshilfe innerhalb weniger Wochen umgesetzt und dabei in den Bereichen Web Entwicklung, Hosting und Sicherheit unterstützt.
Im Folgenden lassen wir einige der beteiligten Kolleg*innen zu Wort kommen, die über ihre Aufgabe in diesem spannenden Projekt und ihre Motivation, dabei zu sein, berichten.
Tilmann
Coaching & Facilitation
Die Idee der Wahltraut ist natürlich viel, viel mehr als eine Webseite und ein Webtool. Zugleich bilden Webseite und das Webtool einen wichtigen Teil der Initiative #stattblumen, die hinter der Wahltraut steht. Meine Rolle war es, die Ideen, Wünsche und Anforderungen der Initiative zu verstehen und so zu formulieren, dass Entwicklung und Hosting bei comspace passende Ideen zur Umsetzung entwickeln konnten. In diesem Sinne lag mein Part eher im Projekt-Management. Zugleich sah ich meine Rolle dabei auch als Berater oder Consultant. Denn: Um ein Projekt erfolgreich zu machen, sollten auch die Ideen der Menschen, die die Umsetzung verantworten, an die Auftraggeber, die Initiative also, zurückgehen, um Optimierungen zu ermöglichen. Das finde ich sehr wichtig. Beratung und gemeinsame Reflexion stellen für mich einen wichtigen Erfolgsfaktor in Webprojekten dar. Zudem hat sich das Vorhaben sehr dynamisch entwickelt. Das bedeutet also, agil zu handeln, und nicht stur nach Plan zu arbeiten, sondern eine enge Abstimmung aller Beteiligten zu ermöglichen und zu moderieren. Das war irgendwie auch mein Part.
Meine gesamte Motivation zum Thema Diversity im Rahmen der Digitalisierung habe ich vor einiger Zeit hier dargestellt.
Ein Projekt Pro Bono ist natürlich immer auch ein Abwägen, welche Ressourcen von comspace können wir gerade zur Verfügung stellen. Daher gab es kein komplettes interdisziplinäres Team zum Start. Einzelne Beteiligte wirkten am Projekt, wenn diese Zeit hatten. Ich hätte mir zwar von Beginn an ein festes, diverses Team gewünscht, denn nicht umsonst ist es uns in unseren kommerziellen Projekten absolut wichtig, genau solche festen Teams von Beginn an zur Verfügung zu stellen. Umso mehr freuen wir uns, dass wir dieses Herzensprojekt zusätzlich zu unseren Kundenprojekten in so kurzer Zeit stemmen konnten.
Ich habe auch gelernt, dass das Thema Zugänglichkeit im Web (ich mag das Wort Barrierefreiheit nicht so gerne) tatsächlich mehr in den Fokus gehört. Hier sehe ich bei Konzeption und Umsetzung noch Potenzial.
Ich habe mich sehr gefreut, dass alle Beteiligten sehr offen miteinander agiert haben. Für die Initiatorinnen war es ja ein Herzensprojekt, das immer zusätzlich zum “normalen” beruflichen Engagement viel Kraft brauchte. Zugleich mußte das dann bei comspace in den “normalen” Ablauf integriert werden.
Ich hoffe, dass die Wahltraut dabei geholfen hat, Menschen die oft komplizierten Programme der Parteien mit Blick auf frauenpolitischen Themen und Themen der Inklusion zu erschließen. Es geht ja nicht um eine Empfehlung für eine Partei, sondern darum zu verstehen, welche Ziele Parteien verfolgen. Damit macht – für mich – Wahltraut eine demokratische Teilhabe (ein Stück) leichter.
Conny
Nicht alle Menschen haben die Zeit und Muße sich intensiv mit Politik zu beschäftigen, aber jede*r sollte gut informiert an Wahlen teilnehmen. Der Wahl-O-Mat ist hier eine gute Brücke, um schnell und einfach die eigenen Vorstellungen mit denen der Parteien abzugleichen. Aber natürlich kann der Wahl-O-Mat nur eine begrenzte Anzahl an Fragen aufnehmen. Umso mehr freut es mich, dass es mittlerweile weitere Wahl-O-Maten mit einer großen Vielfalt an Themenschwerpunkten gibt. Ich freue mich besonders an einem mitgewirkt haben zu dürfen. Zum Einen sind mir feministische und gleichstellungspolitische Themen eine Herzensangelegenheit, zum Anderen bin ich dankbar für einen Arbeitgeber, der diese Mitarbeit auch unterstützt und sich nicht hinter “politischer Neutralität” versteckt.
Mein Part im Projekt war die Vermutung, dass die Idee eines eigenen Wahl-O-Maten wahrscheinlich nicht neu ist. Nach kurzer Recherche habe ich das OpenSource Projekt Mat-O-Wahl gefunden, welches das Grundgerüst eines Wahl-O-Maten liefert. Des Weiteren habe ich die Initiator*innen dabei unterstützt, die Fragen und Antworten der Parteien in das passende Format zu bringen.
Dawid
Webentwicklung
Ich war für die technische Umsetzung der Wahltraut verantwortlich. Dazu gehörten die Wahl der Tech-Stacks in Backend und Frontend, die CMS-Konfiguration, die Integration des Mat-O-Wahls sowie die Einrichtung der Deployments und die Umsetzung der Designs. Backend-seitig habe ich mich für das Headless CMS Storyblok entschieden, weil wir damit bereits ein Projekt im Team umgesetzt hatten. Das Frontend basiert auf Nuxt.js und Vue.js (Vue ist ein „leichtgewichtiges“ JavaScript Framework). Die Auslieferungen erfolgen mithilfe von Jenkins. Außerdem haben wir uns entschieden, statisches statt Server-Side Rendering zu nutzen. Die Generierung der statischen Seiten erfolgt ebenfalls mit Nuxt.js.
In unserem Team realisieren wir i.d.R. große Projekte mit Systemen wie dem Sitecore CMS. In solchen Projekten gibt es viele Beteiligte und jede*r ist nur für einen spezifischen Part verantwortlich. Das Projekt der Wahltraut konnte ich technisch komplett selbständig umsetzen. Das war auf der einen Seite eine Herausforderung, weil ich alle Probleme selbst erkennen und auch lösen musste, aber hat auf der anderen Seite viel Spaß gemacht, weil ich mir in einem abgeschlossenen Projekt viel Neues erarbeiten konnte. So musste ich selbst das Datenschema erstellen, die Frontend-App bauen, Komponenten stylen und einiges mehr. Ich habe Jenkins kennengelernt und dafür Scripte erstellt. In Bezug auf das Nuxt.js Framework habe ich mir viel Wissen angeeignet, weil das Projekt anders als sonst konfiguriert werden musste, um das CMS mit statischen Seiten zu koppeln.
Die Zusammenarbeit mit den anderen Projektbeteiligten war super und Wünsche, Anpassungen, Kritik etc. wurden im Team immer offen kommuniziert. Ich freue mich, dass ich mit meiner Arbeit die Ideen von anderen Menschen zum Leben erwecken konnte.
Anna
Meine Aufgabe im Wahltraut-Projekt war die Einrichtung eines DSGVO-konformen Trackings, das von uns für die Optimierung der Seite und ihrer Inhalte genutzt werden konnte. Gerade bei einem so sensiblen Thema war es uns und den Initiator*innen wichtig, dass diese Funktion möglichst schlank und transparent gehalten wird.
Für die Einbindung von Google Analytics kam der Google Tag Manager zum Einsatz, über den Events (bspw. Zugriffe auf das Pressekit) sowie der Fortschritt im Fragebogen getrackt wurden.
Anhand der gesammelten Nutzungsdaten konnten wir z.B. erkennen, ob Nutzer*innen mit Suchanfragen auf der Seite landen, die inhaltlich noch nicht abgedeckt wurden, ob es besonders beliebte Seitenbereiche gibt oder ob Fragen dabei sind, die zu einer hohen Abbruchrate führen, weil sie vielleicht zu kompliziert formuliert sind. Also ein Tracking ganz in eurem Sinne, um eine gute User Experience zu schaffen.
Mir persönlich hat es sehr viel Spaß gemacht an einem Projekt mitzuarbeiten, das in kurzer Zeit unfassbar viele Menschen erreicht hat und hoffentlich einen relevanten Beitrag zur Bundestagswahl liefern konnte. Alle Wählenden müssen vor so einer wichtigen Entscheidung die Möglichkeit haben, sich gezielt und ohne große Hürden zu den Standpunkten der Parteien informieren zu können, die ihnen besonders am Herzen liegen. Und das hat Wahltraut zu gleichstellungspolitischen Themen geschafft.
Kalliste
System Administration
Als System Engineer bei comspace hat es mir Spaß gemacht, mich an diesem Projekt zu beteiligen. Erfahrungsgemäß vereint die Beteiligten bei gesponserten Projekten wie diesem stets ein beflügelnder und kreativer Enthusiasmus. Bei Wahltraut kam noch das gute Gefühl hinzu, eine Plattform zu schaffen, die mit dem Fokus auf Feminismus im Wahlkampf einen Aspekt beleuchtet, der an anderer Stelle oftmals zu kurz kommt.
Meine konkrete Aufgabe war die Bereitstellung der Applikations-Infrastruktur via Konfigurationsmanagement Tools und die Abstimmung und Kommunikation mit unserem Partner Filoo für die system- und netzwerkseitige Bereitstellung. Außerdem arbeitete ich mit unseren Entwickler*innen zusammen für die programmatische Umsetzung. Da die Umsetzung durchaus Raum für gestalterische Freiheit bot, habe ich mich für die praktische Erprobung des Webserver Moduls Pagespeed entschieden. Bilder, Codefragmente und Styling-Dateien werden jetzt teilweise im Livebetrieb optimiert und verbessert ausgeliefert. Das erhöht sowohl die Performance, als auch das Ranking hinsichtlich der Suchmaschinenoptimierung.
Abgesehen von der technischen Umsetzung hat mir dieses kleine Projekt insbesondere in Hinblick auf die Projektziele große Freude bereitet. Die gute Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb von comspace, sowie die hohen Besucherzahlen in den ersten Tagen und das positive Feedback entschädigen dann auch für den einen oder anderen längeren Abend.
Für die Zukunft freue ich mich auf weitere Gelegenheiten unser Wissen auch abseits unserer üblichen Projektstrukturen einzubringen. Vielleicht motiviert Wahltraut ja auch den ein oder anderen seine Politikverdrossenheit abzulegen und selbst aktiv zu werden um unsere Gesellschaft ein klein wenig besser zu machen.
Danke fürs Lesen 🙂
Philip
IT Security
Ich habe für die Wahltraut das IT-Sicherheitskonzept entwickelt. Die besondere Motivation lag für mich darin, dass es zum einen ein völlig neues, spannendes Projekt für uns war und ich von Anfang an meine Kolleg*innen dabei unterstützen konnte, ein sicheres System aufzusetzen.
Meine konkrete Arbeit bestand darin, die umgesetzten Maßnahmen zu verifizieren und ein umfängliches Security-Audit via Penetration Testing und diverser Tools durchzuführen. Man lernt ja nie aus, darum habe ich neben dem erneuten Durchführen und Umsetzen noch ein paar neue, technische Details kennengelernt (z. B. eine sehr ungewöhnliche Konfiguration, die es erlaubt mysql_real_escape_string() auszutricksen), die am Ende zwar für das Projekt nicht relevant waren, aber auf die ich nur im Zuge des Projekts gestoßen bin und die in Zukunft relevant werden könnten.
Mir hat es wieder einmal Freude bereitet, in einem interdisziplinären Team zusammenzuarbeiten. Das Besondere bei Wahltraut war sicherlich, dass das Sicherheitskonzept von Anfang an Teil der Planung war. Das macht es sehr viel einfacher Systeme sicher zu gestalten, als ganz am Ende ein fertiges System abzusichern. Man kann sich so eine Menge Maßnahmen sparen, weil auch aus Security-Sicht von Anfang an “die richtigen” Entscheidungen getroffen wurden.
Fazit von Andreas
Geschäftsführung
Wahltraut steht für ganz viel, was uns bei comspace wichtig ist: Diversität, Verantwortung und Aufgeschlossenheit. Als mich damals Sally auf das Projekt angesprochen hat, habe ich sofort zugesagt, weil ich wusste, dass meine Kolleg*innen der Idee mit genauso viel Begeisterung begegnen werden wie Sally sie im ersten Gespräch versprüht hat. Unternehmen sind ein wichtiger Pfeiler der Gesellschaft und wir dürfen uns in einer Zeit, in der Populisten die Medien fluten und auch Parteien in Deutschland die Grenzen des Sagbaren verschieben, nicht hinter einer neutralen Position verstecken, denn auch eine solche Nicht-Positionierung ist eine Positionierung. Wir sollten unseren Einfluss und unsere Möglichkeiten nutzen und sagen, was gesellschaftlich als “normal” angesehen wird.
Übersicht über weitere Wahl-O-Maten
Die Wahltraut war natürlich nur eine unter vielen Wahl-O-Maten, die den Wählern im Vorfeld der Bundestagswahl dabei helfen sollten, ihre Positionen zu den verschiedenen Themen mit denen der Parteien abzugleichen. Weitere Wahl-O-Maten allgemeiner Art oder mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten waren diese:
- Erfolgreiches Multi-Site-Management am Beispiel der Weidmüller-Webseite - 13. November 2024
- DMEXCO 2024 – ein Rückblick - 2. Oktober 2024
- UX Heuristiken Reloaded: Barrierefreiheit mit Jakob Nielsen revolutionieren - 20. Juni 2024