Wir nehmen wahr, dass ein Infragestellen demokratischer Grundwerte zugenommen hat. Insbesondere Populismus, Desinformationen und Hate-Speech sind Antreiber, die bestehende demokratische Ordnung zu diskreditieren. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Wir möchten aktiv werden für unsere Demokratie und geben uns ein Konzept zur Corporate Political Responsibility.
Im Interview erläutern Andi und Eva aus der Geschäftsleitung die Beweggründe und unsere Vorgehensweise.
Vor einigen Tagen ist die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen. Eine Erkenntnis aus dieser Studie ist, dass rechtsextreme Einstellungen in Deutschland in den letzten Jahren stark angestiegen und weiter in die Mitte gerückt sind. Welche Gedanken habt ihr zu diesen Ergebnissen?
Andreas: Das löst bei mir eine große Besorgnis aus. Bereits seit einigen Jahren nehmen wir einen Trend nach rechts wahr. Dazu erleben wir aktuell eine Gesellschaft in der Polykrise: Krieg, Pandemie, Klimawandel, Inflation und eine schwache wirtschaftliche Entwicklung. Die Verunsicherung bei vielen Menschen ist enorm. Wir müssen verhindern, dass Ängste und Sorgen zu Hass und Hetze werden, deswegen gehen wir bei comspace jetzt einen neuen Weg.
Eva: Es wäre gelogen zu sagen, Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen seien nicht existent in unserer Gesellschaft. Die Frage ist: wie viel lassen wir davon zu? Was lassen wir unkommentiert stehen, weil es uns “einfacher” erscheint, nicht zu widersprechen? Wir können für comspace selbstbewusst festhalten, dass wir uns bei diesen Themen eindeutig positionieren und handeln. Mit der Einführung eines Konzepts zu CPR halten wir das fest und strukturieren unsere Maßnahmen. Wichtig ist, dass wir nicht wegschauen, sondern mutig sind und Verantwortung übernehmen. Eine diskriminierungsfreie Unternehmenskultur muss eine Selbstverständlichkeit sein, erfordert aber auch kontinuierliche Arbeit und ein Hinterfragen bestehender Strukturen.
Warum ist politisches Engagement von Unternehmen denn wichtig?
Andreas: Unternehmen sind ein fester und wichtiger Teil der Gesellschaft und als Teil der Gesellschaft sollten wir uns nicht davor fürchten, auch zu politischen Themen Stellung zu beziehen. Die Gesellschaft und unser demokratisches System sind seit über 70 Jahren der Garant für unseren Wohlstand. Wir wollen mehr Verantwortung übernehmen, weil wir Entwicklungen wahrnehmen, welche die demokratische Grundordnung in Frage stellen und unseren Wohlstand gefährden. In Zeiten, in denen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung verstärkt unter Druck gerät, wollen wir Räume für Austausch und Diskurs schaffen und geben uns ein eigenes Konzept für “Corporate Political Responsibility“.
Was ist denn neu am Konzept Corporate Political Responsibility und wovon unterscheidet es sich zu bereits etablierten Begriffen?
Eva: Man kann das ganz gut vom Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) ableiten, das mittlerweile in vielen Unternehmen verankert ist. CSR bedeutet die Verantwortung für sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltiges Handeln von Unternehmen. Ergänzend hierzu bezieht sich CPR auf das politische Engagement von Unternehmen. Politisch handelt ein Unternehmen im Sinne dieses Konzepts, wenn es konstruktiv dazu beiträgt, dass der demokratische Staat in seinen Kernbereichen handlungsfähig ist und von den Bürger*innen unterstützt wird. Im Grunde sichern wir uns damit unsere eigene wirtschaftliche Handlungsgrundlage.
Gibt es bereits konkrete Schritte auf dem Weg eurer Umsetzung der politischen Unternehmensverantwortung?
Andreas: Unsere Kolleg*innen und wir als Unternehmensverantwortliche haben schon oft Verantwortung übernommen und durch verschiedene Aktionen unsere politische Haltung gezeigt: Zum Beispiel haben wir zur Bundestagswahl 2021 den feministischen Wahl-O-Mat “Wahltraut” unterstützt, wir packen Hilfspakete für Menschen in der Ukraine und für unseren Supergeek-Shop haben wir Shirts entworfen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Gleichberechtigung aussprechen. Dieses Engagement leben wir übrigens auch intern: Wir sprechen miteinander über aktuelle politische oder gesellschaftliche Themen und haben dafür sogar einen eigenen Chat, den #discuss Channel in Slack.
Eva: Unsere Kolleg*innen bei comspace erlebe ich als sehr interessiert, aufgeschlossen und engagiert. Bisher sind viele Aktionen aber eher anlassbezogen entstanden. Deswegen haben wir im Geschäftsleitungsteam im Juni die Entscheidung getroffen, das Thema der politischen Verantwortung stärker zu konsolidieren. Ich freue mich, dass insbesondere Andi als Geschäftsführer klar Position bezieht und es ihm auch ein wichtiges Anliegen ist. Mit dem Corporate Political Responsibility-Konzept geben wir dem Engagement nun einen Rahmen und die notwendige Struktur, um langfristig wirksam zu sein. Denn es ist eine gemeinsame Aufgabe.
Wie wird das Thema von den Kolleg*innen aufgenommen?
Andreas: Im Moment beschäftigen sich viele Menschen auch privat mit politischen Themen, deswegen trifft unsere Initiative bei vielen Kolleg*innen einen Nerv. Wir sprechen über unser Konzept in unterschiedlichen internen Formaten und entwickeln es gemeinsam weiter. Die Kolleg*innen beteiligen sich aktiv mit konstruktiven Ideen und stellen etliche kritische Fragen. Ich denke, es tut vielen gut, aktiv etwas tun zu können und sich für eine demokratische Gesellschaft einzusetzen. Natürlich gibt es auch Zurückhaltung und nicht jede*r ist direkt vorne mit dabei. Das ist auch völlig in Ordnung und wir zwingen niemandem etwas auf.
Welche Herausforderungen sind euch begegnet?
Andreas: Das Thema der Corporate Political Responsibility ist noch nicht sehr etabliert und entsprechend gibt es wenig öffentlich verfügbare Informationen, die für den Start hilfreich sein können. Unser Konzept erarbeiten wir deswegen auf Grundlage der verfügbaren Literatur und tauschen uns mit den Expert*innen auf diesem Gebiet aus. Eine gute Anlaufstelle ist hier z.B. das Business Council for Democracy der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung.
Eva: Durch die Rückmeldungen der Kolleg*innen merken wir auch, dass der Begriff der politischen Verantwortung erstmal Unsicherheit auslösen kann. Wir erklären dann, dass es uns nicht um parteipolitische Inhalte oder persönliche politische Einstellungen geht. Wir schätzen es, wenn Menschen unterschiedliche Meinungen haben und möchten den Diskurs darüber stärken. Eine Grenze ziehen wir dann, wenn vermeintliche Meinungsfreiheit zu Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit führt.
Mit der Initiative “Love HR – hate Racism” setzt du dich schon länger gegen Rechtspopulismus und Rassismus in HR-Bereichen ein, Eva. Wie ist deine Perspektive speziell auf die People-Profession, wenn es um die Verantwortung für demokratische Grundwerte geht?
Eva: Das ist für mich ganz klar: Der Personalbereich hat die größte Verantwortung für rassismus- und populismusfreies Arbeiten im gesamten Unternehmen. Damit Rassismus, Diskriminierung und Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft und damit auch im Berufsleben keine Chance haben, müssen sich vor allem Personaler*innen für echte Integration und Vielfältigkeit im Unternehmen stark machen. Denn der HR-Bereich ist Gestalter von Unternehmenskultur und hat besonders jetzt den wichtigen Auftrag, Haltung zu zeigen.
Was ist die Empfehlung an andere Unternehmen, die sich mit der Corporate Political Responsibility beschäftigen wollen?
Andreas:
Da kann ich konkret drei Punkte empfehlen:
Erstens ist es wichtig, dass die oberste Führungsebene bei dem Thema an einem Strang zieht. Das heißt, dass, bei allen Unterschieden in Detailfragen, die Unternehmensleitung hinter dem grundsätzlichen Gedanken stehen sollte, dass das Unternehmen seine politische Verantwortung wahrnimmt.
Neben diesem Commitment der Unternehmensführung ist mein zweiter Tipp, das Thema zuerst als internes Projekt zu betrachten und die Kolleg*innen einzubeziehen, damit das Konzept zum eigenen Unternehmen, den Bedürfnissen und Ressourcen passt.
Und drittens wünsche ich mir ganz viel Vernetzung unter den Unternehmen und mit Verbänden, Initiativen etc. Unter dem Hashtag #WirFürDemokratie können wir gemeinsam konstruktive Impulse sichtbar machen und uns mit ebenso engagierten Akteuren vernetzen.
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