Wir kennen sie wohl alle – die Diskussion darum, ob die Arbeit an der Unternehmenskultur eher ein Nice-To-Have oder tatsächlich ein echtes Must-Do ist. In den letzten Monaten haben wir erlebt, dass diese Frage nochmal stärker in den Fokus gerückt ist und sich viele Unternehmen bei der Frage nach dem Einsatz ihrer begrenzten Ressourcen gefragt haben: Sollen Innovation & Kulturwandel vorangetrieben werden vs. soll der Fokus auf das Kerngeschäft gerichtet werden?
Allerdings ist dies nicht nur eine Frage, die sich Unternehmen in Krisenzeiten stellen – die Dringlichkeit, diese Frage zu beantworten wurde, wie viele andere Themen in dieser Zeit, nur noch forciert. Denn auch in ruhigeren Zeiten haben viele Unternehmen noch nicht die Antwort auf diese Frage gefunden. Warum sollten wir an der Unternehmenskultur arbeiten – was genau ist darunter überhaupt zu verstehen? Denn zugegeben – der Begriff “Kultur” ist wirklich nicht in einem Satz zu definieren.
Kommunizierte Identität eines Unternehmens = gelebte Kultur
Vereinfacht lässt sich erstmal festhalten: Jedes Unternehmen hat ein gewisses Selbstverständnis von sich. Dieses Verständnis wird häufig in Form der Mission oder Vision transportiert, also der kommunizierten Identität. Was sich jedoch ganz oft zeigt ist, dass eben diese kommunizierte Identität leider recht weit von der gelebten Identität liegt. Das, was wir dann schließlich wirklich in einem Unternehmen ausleben, gestalten und kreieren ist die Atmosphäre in einem Unternehmen und somit dann die Unternehmenskultur.
Um nun diese Lücke zwischen gelebter und kommunizierter bzw. damit auch versprochener Identität zu schließen, bedarf es also einem Wandel in der Kultur. Oft fällt im Zusammenhang des Kulturwandels auch der Begriff der “Offenheit” einer Kultur. Es heißt, wir müssen Silos öffnen, offener kommunizieren und Veränderungen mit Offenheit begegnen. Damit dies gelingt, brauchen wir mehr Transparenz. Generell verbinden wir wohl erstmal positive Gefühle mit dem Wort “Transparenz”- allerdings kann auch diese aus verschiedenen Perspektiven ganz unterschiedlich bewertet werden. Bei manchen sorgt Transparenz z. B. eher für ein Gefühl der Sicherheit, bei anderen wiederum eher dafür, dass sie sich überwacht fühlen. Außerdem kann Transparenz auf das Gemeinschaftsgefühl einzahlen. Mehr Transparenz führt schließlich dazu, dass wir auch wissen, was in den anderen Teams und Abteilungen los ist, sodass wir uns viel mehr als Teil auch von anderen Themen im Unternehmen fühlen.
Unternehmenskultur im Modell
Wie eben schon kurz angedeutet: Unternehmenskultur ist komplex! Edgar Schein hat deswegen die einzelnen Bestandteile in ein Modell gegossen.
Bei Betrachtung der Grundannahmen sowie der Werte und Normen wird direkt klar, wie tiefgründig die Thematik der Unternehmenskultur ist. Denn Grundannahmen basieren auf unserer Art die Welt zu sehen. Haben wir uns nicht gerade ausführlich mit diesem Aspekt beschäftigt, bleiben diese Annahmen unsichtbar und wirken zumeist unbewusst. Die Kultur eines Unternehmens steht somit unter einem großen Einfluss dessen, was die Mitarbeitenden aus ihrem Leben in der Gesellschaft im Allgemeinen für Annahmen entwickelt haben.
Daraus wiederum entwickeln sich bei uns sogenannte Werte und Normen, die dann in Form von Glaubenssätzen Einfluss auf unsere Entscheidungen und unser Handeln haben. Diese kommen dann auch tatsächlich manchmal zum Vorschein, können aber dennoch eher als unbewusstes Programm wirken. Beispiele für typische Glaubenssätze sind sowas wie „Das haben wir noch nie so gemacht.“ oder “Ohne Fleiß kein Preis.” Wahrscheinlich fallen euch da jetzt noch einige dieser “Sprüche” ein, mit denen ihr im Verlauf eures Arbeitslebens konfrontiert gewesen seid. Wir freuen uns über Kommentare!
Zu Guter Letzt stehen dann die Artefakte – insbesonder Symbole und Verhaltensmuster gehören dazu. Artefakte der Unternehmenskultur reichen vom Dresscode über die Ausstattung der Mitarbeitenden bis hin zu Kommunikationsstandards wie Duzen vs. Siezen unter den Kollegen. Um einen Wandel der Kultur voranzutreiben bzw. Kultur mitzugestalten sind die Artefakte der Ansatzpunkt, an dem wir dann tatsächlich in erster Linie was bewegen können.
Denn wie das Modell schon zeigt: Die verschiedenen Elemente der Kultur haben Einfluss aufeinander bzw. stehen in Wechselwirkung zueinander. Langfristige Veränderungen in der Unternehmenskultur zu etablieren, bedeutet also zunächst an den Artefakten anzusetzen, die dann bestenfalls Werte & Normen sowie die Grundannahmen positiv beeinflussen. Da sprechen wir dann oft von einer Veränderungen im “mindset”.
Die Benefits einer “echten” Unternehmenskultur
Wenn die Lücke zwischen Soll und Ist-Kultur also geschlossen ist – dann profitieren wirklich alle. Die Mitarbeitenden, die Kunden und auch der Unternehmer selbst. Denn wenn ich als Mitarbeitende die Unternehmenskultur so erlebe wie das Unternehmen es in seiner kommunizierten Identität verspricht – dann weiß ich wie ich meine Arbeit gestalten und wie ich Entscheidungen treffen kann. Die Unternehmenskultur bestimmt also mein operatives, taktisches und strategisches Verhalten im Unternehmen.
Ich erlebe die Kultur als offen, vertrauensvoll und flexibel? Super, dann kann ich meine Anliegen offen mit meinen Kollegen besprechen, ihnen vertrauen und auf ihre Flexibilität zählen. Gleiches ist natürlich auch auf die Beziehungen zu Kunden zu übertragen!
Die Rechnung ist also wirklich ganz einfach: Eine echte Unternehmenskultur führt zu mehr Zufriedenheit bei Mitarbeitenden und Kunden – und somit auch zu mehr Erfolg des gesamten Unternehmens.
Und auch wir haben in den letzten Monaten erlebt, dass eine echte, lebendige Unternehmenskultur einen entscheidenden Unterschied macht. Es sind in letzter Zeit schließlich viele neue Bedürfnisse sowohl auf Seiten der Mitarbeitenden als auch auf Seiten der Kunden entstanden, Produkte haben sich verändert und neue sind entstanden, die Zusammenarbeit hat sich verändert. Wir konnten dank der guten Kultur flexibel reagieren. Deswegen gilt also für uns: Eine gute Unternehmenskultur macht am Ende wirklich den Unterschied! Dennoch: Die Ressourcen sind knapp.
Wirkungsvolle Konzepte mit kleinem Aufwand für die Unternehmenskultur
Die Frage ist also: Was können wir ohne großen Aufwand bei uns im Unternehmen umsetzen und gleichzeitig eine große Wirkung für unsere Kultur erzielen?
Zusammen mit unseren Teilnehmenden bei einer remote Session haben wir zunächst in einem kleinen Brainstorming insgesamt 17 Ideen dazu gefunden – ich nenne sie mal Artefakte der Unternehmenskultur. Diese Ideen haben wir schließlich auf ihre Wirkung hin bewertet – erkennbar an den roten Punkten. Als wirkungsvollste Ideen sind daraus dann Umfragen, ein Ideenboard, Retros und Challenges hervorgegangen.
Hier ganz kurz die Konzepte hinter den vier Ideen:
- Umfragen
Oft treffen wir Annahmen, die vielleicht eigentlich gar nicht zutreffend sind. Deshalb die Idee einfach über ein Kommunikationstool wie slack diese Annahmen durch Umfragen zu verifizieren. Es könnte viel öfter gefragt werden, was aktuell gebraucht wird, wie die Lage ist etc. – so werden Mitarbeitenden und Kollegen viel stärker mit einbezogen!
- Ideenboard
Kollegen haben oftmals Ideen, die dann in irgendeiner Schublade oder einem virtuellen Ordner landen. Ganz oft werden Ideen allerdings sogar nur auf der Tonspur übermittelt und stoßen so nicht auf die verdiente Aufmerksamkeit. Deshalb die Idee eines Ideenboards – so werden Ideen transparent und haben einen Ort, an dem sie auch gehört bzw. gelesen werden wollen!
- Retros für alle
In Retros können Teams ihre Zusammenarbeit und Projekte reflektieren – eine Retro kann aber auch jeder für sich selbst machen! Sie decken Entwicklungspotenziale auf und sind damit eine enorme Chance für jeden Einzelnen und Teams. Oft braucht es aber einen Impuls von außen, um Retros auszuprobieren – somit also die Idee Retros einfach für alle in der Unternehmenskultur zu verankern.
- Challenges für alle
Hier geht es nicht zwangsläufig darum gegeneinander anzutreten, sondern vielmehr sich zusammen ein Ziel zu setzen und dieses gemeinsam zu verfolgen. Kollegen und Teams wachsen zusammen und entwickeln einen echten Team-Spirit. Dieser trägt sich dann aus den Challenges vielleicht auch in einem Freizeit-Kontext wie eine Lauf-Challenge zurück ins Tagesgeschäft im Unternehmen.
Bei der Aufwandsbewertung hat am Ende das Ideenboard am besten abgeschnitten, gefolgt von den Umfragen, den Challenges und den Retros.
Unternehmenskultur bei euch
Jetzt möchten wir natürlich von euren Erfahrungen hören! Uns interessiert,
- ob ihr diese Ideen schon in euren Unternehmen umsetzt?
- welche Dinge ihr empfehlen könnt? Was hat aus eurer Sicht den größten Nutzen im Vergleich zum Aufwand? Welche Ansätze sind wiederum vielleicht auch sehr aufwändig aber gleichzeitig auch total wertvoll?
- was ihr zukünftig gerne bei euch umsetzen würdet?
(c) Headerbild von Bluehouse Skis auf Pixabay
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