Digitale Barrierefreiheit: Der Schlüssel zu mehr Vielfalt und Teilhabe

In Deutschland leben rund 7,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung. Das entspricht 9,4% der Bevölkerung. Laut REHADAT-Statistik von 2019 waren 42% davon im erwerbsfähigen Alter, also zwischen 15 und 65 Jahren. Diese Zahlen betonen die Notwendigkeit von Barrierefreiheit, besonders im digitalen Bereich. Digitale Barrierefreiheit ist entscheidend für die User Experience, da sie sicherstellt, dass Nutzer*innen unabhängig von ihren Fähigkeiten positive und gleichwertige Erfahrungen machen können.

Mit dem European Accessibility Act, der am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, wird Unternehmen dazu verpflichten, EU- weite Barrierefreiheitsstandards für digitale Angebote umzusetzen. Dies sichert die aktive und gleichbereichtigte Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft. Die Berücksichtigung von Barrierefreiheit direkt ab Beginn des Projekts bietet Vorteile in Sachen Effizienz: Die nachträgliche Anpassung einer bestehenden Website für Barrierefreiheit erfordert erheblich mehr Aufwand im Vergleich zur Berücksichtigung von Barrierefreiheit von Anfang an – der Aufwand ist hier nicht zu unterschätzen. Demnach ist es wichtig, Barrierefreiheit in allen Entwicklungsphasen zu berücksichtigen, indem man an diverse Benutzergruppen denkt und zahlreiche Checks und Tests durchführt, um eine angemessene Zugänglichkeit zu gewährleisten.

Kurzum: Digitale Barrierefreiheit ist ein Thema, das uns alle betrifft. Daher liegt es in der Verantwortung von Unternehmen in der digitalen Welt, eine inklusive Umgebung zu schaffen, die dem Unternehmen gleichzeitig eine größere Zielgruppe erschließt. 

Was ist digitale Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit gemäß § 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes bedeutet, dass alle Lebensbereiche, einschließlich Gebäude, Verkehrsmittel, Technologie und Informationen, für Menschen mit Behinderungen leicht zugänglich sein sollten. Dies schließt die Nutzung von Hilfsmitteln wie Rollstühlen ein. Digitale Barrierefreiheit betrifft sowohl das visuelle Design als auch die Funktionalität digitaler Dienste und ist entscheidend, um die Zugänglichkeit für alle sicherzustellen.

Was sind die Vorteile von digitaler Barrierefreiheit?

  1. Erweiterte Zielgruppen: Indem digitale Angebote barrierefrei gestaltet werden, erreicht man nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch Menschen mit (temporären) Einschränkungen, wie bspw. beim Sehen oder Hören. Dies erweitert die potenzielle Kundenbasis erheblich.
  2. Bessere Wettbewerbsvorteile: Die digitale Barrierefreiheit ermöglicht Unternehmen zahlreiche Wettbewerbsvorteile, darunter größere Reichweiten bzw. breitere Zielgruppen, stärkere Kundenbindung, ein positiveres Markenimage und höhere Kundenzufriedenheit. Auch dies kann zu einer größeren Nutzerbasis, mehr Engagement und einem erhöhten wirtschaftlichen Nutzen führen.
  3. Bessere Customer Experience für Nutzer*innen: Barrierefreie Designs und Anwendungen führen zu intuitiven, klaren und besser strukturierten digitalen Angeboten. Dies kommt nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute, sondern verbessert die Experience für alle Kund*innen.
  4. Positive Unternehmensreputation: Organisationen, die sich für digitale Barrierefreiheit einsetzen, zeigen soziale Verantwortung und Engagement für eine inklusive Gesellschaft. Zudem teilen Nutzer*innen, die positive Erfahrungen mit barrierefreien Anwendungen gemacht haben, ihre Erfahrungen oft mit anderen – was zu einer positiven Reputation führen kann, die das Wachstum und die Bekanntheit von Unternehmen fördert.
  5. Bessere Auffindbarkeit und SEO: Barrierefreie Websites sind oft besser strukturiert und können daher von Suchmaschinen einfacher indexiert werden, was zu einer verbesserten Auffindbarkeit führt. Durch die Einhaltung von Barrierefreiheitsstandards können Unternehmen somit nicht nur die Zugänglichkeit für alle Nutzer*innen verbessern, sondern auch ihre Sichtbarkeit im Online-Bereich erhöhen – und damit die Reichweite für ihre Inhalte vergrößern.

Wie kann (digitale) Barrierefreiheit gewährleistet werden?

Zur Gewährleistung von (digitaler) Barrierefreiheit sind laut Michael Johannfunke, Experte für Barrierefreiheit an der Universität Bielefeld, vier grundlegende Prinzipien von zentraler Bedeutung. Diese Prinzipien wurden von der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt und gelten nicht nur für digitale Inhalte, sondern auch für andere Aspekte des Lebens. Sie lauten: 

  1. Wahrnehmbarkeit: Informationen müssen für alle Nutzer*innen zugänglich sein – auch für Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen. Infolgedessen sollten Grafiken, Videos und Audiodateien mit Alternativen versehen werden, um volle Informationszugänglichkeit zu gewährleisten.
  2. Verständlichkeit: Informationen und Bedienung der Anwendungen sollten klar und einfach sein. Klare Anweisungen und eine logische Struktur sollen allen Nutzern helfen, die Inhalte problemlos zu verstehen.
  3. Bedienbarkeit: Websites und Anwendungen sollten für alle Nutzer leicht steuerbar sein. Klare Tastaturbedienbarkeit unterstützt Menschen mit eingeschränkter Feinmotorik, und Screenreader ermöglichen den Zugang für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen.
  4. Robustheit: Inhalte sollten technisch robust gestaltet sein, um auf verschiedenen Geräten und Plattformen zugänglich zu sein. Standardkonforme Technologien gewährleisten eine breitere Kompatibilität und barrierefreien Zugang für alle.

Fazit

Die Implementierung von barrierefreien Lösungen ist nicht nur ethisch geboten, sondern wird demnach auch ab 2025 zur rechtlichen Verpflichtung. Unternehmen können daher bereits jetzt davon profitieren, wenn sie diese Anforderungen vorzeitig umsetzen. Darüber hinaus eröffnet sie neue Möglichkeiten, verschiedene Zielgruppen zu erreichen und ein inklusives Umfeld zu schaffen. Unternehmen, Organisationen und Institutionen sollten bei der Entwicklung digitaler Anwendungen bereits von Anfang an den Aspekt der digitalen Barrierefreiheit als eine Priorität betrachten, um eine solide Grundlage zu schaffen und auf langfristige Sicht die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

Weiterführende Links

  • Ergänzend zum Thema Barrierefreiheit empfehlen wir den Talk von Michael Johannfunke, der auf dem Rooftop Hub Event im Juni 2023 stattfand.
  • Auf der Website der Uni Bielefeld gibt es zahlreiche Informationen zu barrierefreien digitalen Medien, Webseiten, Dokumenten und vieles mehr.
  • Die Bertelsmann Stiftung stellt auf ihrer Website einen Leitfaden für zugänglichere digitale Angebote zum Download zur Verfügung.
Annie Chen

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