Nicht blind in eine digitale Welt: Datenschutz für Schüler*innen.

Die Kinder und Jugendlichen an unseren Schulen sind die ersten, die in einer “digitalen Welt” aufwachsen. Als ich Kind war, traf ich mich mit meiner besten Freundin jeden Morgen vor der Kirche, um mit ihr zusammen zur Schule zu fahren. War sie 10 Minuten nach der ausgemachten Zeit nicht da, fuhr ich halt alleine.

Nach den Hausaufgaben klapperten wir die üblichen Treffpunkte ab, um zu schauen, ob jemand da war, mit dem man spielen oder “abhängen” konnte. War niemand da, ging man halt zu seinen Kumpels nach Hause. Und klingelte dort. Einfach so. Wurde ich zuhause vermisst, rief meine Mutter bei meinen Freunden auf dem Festnetztelefon an und fragte nach mir. 

Das ist heute undenkbar. Viele Kinder haben schon in der Grundschule ihr erstes Smartphone. Das Smartphone ist Normalität für sie und das ist, so für sich betrachtet, zwar anders als früher, aber nicht automatisch schlimm.

Was ich persönlich schlimm finde, ist die Tatsache, wie wenig sie darüber wissen.
Zumindest lässt der unbedarfte Umgang mit verschiedenen Apps und Social Media-Kanälen darauf schließen. (Bei Erwachsenen übrigens auch, nur mal so am Rande.)
Sie lassen Apps auf Adressbücher zugreifen, um auf Facebook rauszufinden, welcher Disney-Charakter sie im letzten Leben waren oder lassen sich ihr gealtertes Ich in einer App anzeigen, die sich dafür die Erlaubnis geben lässt, auf sämtliche Fotos auf dem Smartphone zugreifen zu dürfen und das ausgewählte Bild an Server in Singapur und weißderfuchsnoch weiterleitet.


Sie machen sich keine Gedanken darüber, welche Datenspuren sie hinterlassen und wer sie hinter ihnen aufsaugt oder darüber, wie schnell ihre Privatsphäre keine mehr ist. Und wieso das ein Risiko darstellt. 

Nicht reden. Machen!

Während Eltern und Lehrer sich vielerorts gegenseitig die Verantwortung für dieses Thema zuschieben, möchten wir bei comspace einfach mal anfangen.

Wir möchten künftig, zumindest regional, sowohl Lehrer als auch Schüler für “Big Data” und Datenschutz sensibilisieren. 

Ja, es gibt schon Initiativen und Angebote. Diese versickern aber gefühlt in den Strukturen der Schulen und werden so nicht wahr- und angenommen. Denn wenn man mit den Menschen vor Ort darüber spricht, empfinden sie das Thema durchaus als wichtig und sind interessiert. Im Gespräch wird deutlich, dass die Lehrer*innen selbst kaum geschult werden. Dass die Lehrer*innen sich die Wissensvermittlung nicht zutrauen, wenn sie selbst nicht ausgebildet werden, ist wohl nicht verwunderlich.

Ich habe mich online nach Informationen und Material umgeschaut, welches für die Arbeit mit SuS sinnvoll sein könnte und bin auf viele gute Angebote gestoßen. Diese eignen sich genau so auch für Eltern, die ihren Kindern das Thema zuhause nahebringen wollen. 

Wissen teilen: DAS ist gelebter Datenschutz

Ehrenamtliche Angebote gibt es bereits vom Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands e.V.. Diese bieten nicht nur (zumeist) völlig kostenlose Unterrichtseinheiten an (“Datenschutz geht zur Schule”), sondern auch ein wirklich tolles Arbeitsblätter-Paket für Lehrer, welches sich direkt auf der Website kostenlos herunterladen lässt.

Auch die Siemens-Stiftung bietet eine Menge tolles und kostenloses Material zu “Big Data”. Hier findet man zu verschiedenen Themen gut aufbereitetes Material: Zu virtuellen Spielwelten, zu personalisierter Werbung, Data Mining, datenbasiertem Wahlkampf… sowohl Slides, als auch Videos oder Audio-Dateien.
Entwickelt wurde alles zusammen mit den kompetenten Kolleg*innen von iRights Lab

Angebot der Siemens-Stiftung

Ebenfalls nicht unter den Tisch fallen darf hier der Klassiker: Klicksafe.
Hier gibt es nicht nur frei verfügbare Broschüren, es werden auch schulrelevante Nebenthemen wie Cyber-Mobbing, Hate-Speech, Fake-News und Co. angesprochen. 

Ältere Kinder, die sich das Thema vielleicht lieber allein anschauen möchten, bekommen alle Informationen auf “Handysektor” angenehm nüchtern und prägnant präsentiert. Ergänzt durch Videoclips, aber nicht medial überladen oder zu kindlich. 

Für die jüngeren Kinder sind die Inhalte vom Internet-ABC “Datenschutz – das bleibt privat” eine altersgerechte Alternative. Hier findet man sogar einen Assistenten für einen Mediennutzungs-Vertrag, wenn man dieses Konzept mal ausprobieren möchte. 

Ebenfalls für jüngere Kinder ist “Seitenstark” zu empfehlen. Hier gibt es sogar ein kostenloses PC-Spiel zum Thema Datenschutz. 

Das Angebot bei Seitenstark

Angstszenario oder Realität? Das sagt unser Alltag:

Ich persönlich habe gute Erfahrungen damit gemacht, theoretische Inhalte durch Beispiele aus dem Alltag zu ergänzen. Denn erst dann wird den Zuhörenden bewusst, welche Auswirkungen der zu laxe Umgang mit “Ich habe doch nichts zu verbergen” haben kann und dass mit den Daten wirklich auch gearbeitet wird und das nicht bloß wüste Szenarien überbesorgter Erwachsener sind. 

Besonders unangenehm, da sehr sensibel, ist die Tatsache, dass sehr viele Menstruations-Apps die Daten an Facebook und andere Unternehmen weitergeben. Das ist bei Privacy International sehr gut dargestellt (englischsprachig): https://privacyinternational.org/long-read/3196/no-bodys-business-mine-how-menstruations-apps-are-sharing-your-data

Photo by Erol Ahmed on Unsplash

In Ägypten wurde die App “Grindr” (das Tinder-Äquivalent für Homosexuelle) von der Polizei genutzt, um Schwule zu identifizieren und zu verhaften.

Vermeintlich private Gruppenchats von WhatsApp landeten im Netz. Für alle zu finden und zu lesen.

Welche Daten Tik Tok abgreift und (mindestens) nach China sendet.

Wie Tik Tok Videos Behinderter in der Reichweite beschränkt und Videos mit Homosexuellen blockiert und damit eine verschobene Lebenswirklichkeit schafft.

Mehrere Beispiele, an welchen Stellen Algorithmen, die ja mit Daten arbeiten, nicht gut funktionierten und betroffene Menschen teilweise empfindliche Benachteiligungen erfahren haben, bekommt man in diesem Artikel zusammengefasst.

Mit bewegten Bildern Dinge bewegen

Videos finde ich gut, weil ein Medienbruch ganz erholsam sein kann und hier oft auch Betroffene zu Wort kommen. Das macht alles realer und greifbarer. Videos, sofern nicht zu lang und gut verständlich, können sicher auch in eine Unterrichtsstunde eingebaut werden. Folgende sind mir positiv aufgefallen:

NDR Panorma “Nackt im Netz – Millionen Nutzer ausgespäht”

Datenschutz einfach erklärt (explainity® Erklärvideo) 

Charlie und das Geheimnis der Daten:
https://seitenstark.de/kinder/internet/charlie-clips/charlie-und-das-geheimnis-der-daten

Das weiß das Internet über dich! – Selbstexperiment

Betrüger shoppen auf eure Kosten: Identitätsdiebstahl im Internet

Für ältere Schüler, oder wenn man es etwas sehr locker mag (also ICH fand’s lustig und meine Kollegen auch!): Datenschutz – Fast wie Sex (Ein Aufklärungsfilm)

Diese Link-Sammlung ist nur ein kleiner Teil dessen, was ich in der letzten Zeit recherchiert und angeschaut habe, aber vermutlich ausreichend für einen ersten Einstieg.

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Miriam Reichelt

Eine Antwort auf „Nicht blind in eine digitale Welt: Datenschutz für Schüler*innen.“

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