Digitalisierung: Datenschutz macht Schule

Corona hat mehr für die Digitalisierung getan, als jeder Digitalpakt, jede Behörde und jeder Chief Technology Officer es jemals könnte. Das ist zunächst mal eine begrüßenswerte Entwicklung, wenn es denn nicht auch die üblichen Risiken und Nebenwirkungen gäbe, denen man sich stellen muss: Dem Datenschutz und der Datensicherheit beispielsweise.

Im Fokus dieser Herausforderung befindet sich nun eine “Branche” ganz besonders: Die Schulen. Schon in der freien Wirtschaft wird oft gesagt, es wären weder Zeit noch Manpower für Datenschutz da. Bei Schulen ist das aber nun wirklich so, dass sie über Budgets und Personal nicht frei entscheiden können.

Und wer jetzt mit dem Digitalpakt kommt: Viele Schulen haben alle Vorgaben für den Antrag erfüllt, ihn eingereicht und bisher keine Reaktion bekommen. Auf Nachfrage ist dieser in Bearbeitung. Seit einem Jahr. Soviel also zu “die Gelder werden nicht abgerufen”.

Dann bildet euch halt fort! – Nur wie?

Und selbst wenn die Mittel da wären, so gibt es kaum auf Schulen zugeschnittene Fortbildungsmöglichkeiten. Hierfür ist unter anderem der Föderalismus verantwortlich: Die DSGVO hat natürlich gewisse Schnittmengen mit dem Schulrecht. Und das ist nicht nur nicht überall identisch, sondern auch noch überwiegend auf einem ähnlichen technischen Stand wie ein Overhead-Projektor:

“Die 80er haben angerufen und möchten ihre Lebenswirklichkeit zurückhaben.”

Neben dieser fachlichen Komponente, die den Kreis derer, die LehrerInnen adäquat fortbilden können oder möchten, schon mal gründlich dezimiert, gibt es dann noch einen weiteren Stolperstein: Die Erfahrungen mit der “Branche” sind bei den meisten DozentInnen schon ein… paar… Jahre alt und eher aus der Perspektive von SchülerInnen.

Nun ist es aber so, dass gerade bei Schulen, deren Tätigkeitsfeld von der freien Wirtschaft eben doch gründlich abweicht, eine gängige Mitarbeitenden-Sensibilisierung “out of the box” nicht so einfach passt. Es müssen Beispiele angeführt werden, die ganz nah am LehrerInnen-Alltag sind. Aber: Wer kennt den schon so genau?

Last but not least: “Arm aber sexy” gilt heute leider nicht mehr. Auch Vortragende möchten gerne Butter auf dem Brot haben und mit pro bono-Projekten wird man einfach keine flächendeckende Wissensvermittlung hinbekommen. 

“Ganz Gallien ist von den Römern besetzt…Ganz Gallien? Nein!”

Nun kennen wir also die Gründe, weshalb es nicht einfach so möglich ist, dass Schulen sich um Datenschutz und Datensicherheit kümmern können. Aber: Einige tun es doch!
Denn es ist definitiv nicht so, dass alle Schulen sich damit abfinden.

Entgegen der gängigen Meinung fesseln sich die LehrerInnen nämlich nicht wie Ertrinkende an Kreidetafeln und retten ihre muffigen Tafelschwämme. Auch LehrerInnen haben Bock auf zeitgemäße Unterrichtsmethoden. Und das nicht erst, seit Distanzunterricht umgesetzt werden musste.

Denn auch LehrerInnen leben privat nicht in der Steinzeit. Auch LehrerInnen wissen, dass Datenschutz ein wichtiges Thema ist. Das Pauschalurteil, dass Schulen es generell nicht anders WOLLEN, ist also einfach unzutreffend.

Und so gibt es Schulen, die andere (wichtige) Fortbildungen verschieben, um sich dem Datenschutz und der Datensicherheit zuzuwenden. Auch wenn das Angebot hier mehr als traurig ist. Die Gründe kennen wir ja nun. 

Alle sagten: “Das geht nicht” und dann kam einer….

Lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben es getan. Wir haben kürzlich das erste Kollegium per Videokonferenz zum Thema Datenschutz geschult. (Via BigBlueButton, lokal betrieben übrigens. Denn Schulen tun in der Regel tatsächlich, was sie können.)

Es war kein komplettes pro bono-Projekt, aber sagen wir es mal so: In Anbetracht der Vor- und Nachbereitung haben wir daran auch nichts verdient. Es wurden unzählige Unterlagen zum Schulrecht und Verordnungen zur Verarbeitung von Daten von SchülerInnen und Eltern gewälzt, Vorlagen offizieller Stellen und Datenschutzhinweise von Apps aus dem Schulumfeld gesichtet. Und es wurde viel geredet. Mit SchulleiterInnen, deren DSB und mit AnwältInnen für Schulrecht (nichts geht über ein starkes Netzwerk!).

Möglich war das nur, weil comspace sich Corporate Digital Responsibility auf die Agenda gesetzt hat und wir es als Teil unserer unternehmerischen Digitalverantwortung betrachten, Wissen, welches wir haben und welches zum Vorteil der Gesellschaft genutzt werden kann, zu teilen. Und wenn Schule nicht als Gesellschaft gilt, dann wissen wir auch nicht…

Und? Wie war’s?

Für uns, als Vortragende, war es eine Feuerprobe: 

Reicht das, was wir uns zum Schulrecht angeeignet haben? Haben wir genug Beispiele im Köfferchen, mit denen die LehrerInnen was anfangen können? Und wie sind LehrerInnen in echt als Publikum? (Gerüchteweise sind sie ja eher eine harte Nuss.)

Nun: Es war aufregend. Ich glaube, für uns alle. Das Medium ungewohnt, das Thema groß. Und dennoch haben wir viel gelernt. Die LehrerInnen, aber auch wir. Das Feedback im Nachgang war überwiegend positiv oder sehr positiv.

Besonders der eine oder andere eher flapsige Vergleich, wie der von Datenschutzverstößen mit Geschlechtskrankheiten, kam gut an.

Was beweist: LehrerInnen sind tatsächlich echte Menschen!

Wir konnten daraus mitnehmen: Auch als Vortragende zum Thema Datenschutz dürfen wir so richtig “Mensch sein”. Noch mehr Beispiele direkt aus dem Schulalltag kommen von ganz allein. Und ein gutes Handout im Nachgang ist wichtig.


Jetzt, einige Wochen nach dem Vortrag, gab es noch mal eine Rückmeldung: Der Umgang der Kollegen mit dem Thema hätte sich geändert. Es würde nicht mehr weiträumig umfahren und es gäbe mehr Austausch zum Datenschutz. Das zeigt: Datenschutz ist definitiv lernbar! Und Datenschutz für Schulen auch. Gemeinsam. 

Original Photo by Andrea Piacquadio from Pexels

Generation Z: Online seit dem Tag der Geburt und keinen blassen Schimmer von Datenschutz

“Unsere” Pilotschule hat also nach dem Vortrag nicht vor Schreck die Schreibmaschine wieder ausgemottet. Sie geht sogar noch weiter und wir wollen gemeinsam einen weiteren Schritt nach vorn machen: Im kommenden Schuljahr wird ein kompletter 7. Jahrgang mit Tablets ausgestattet und die Schule möchte die SchülerInnen bestmöglich darauf vorbereiten. (Das finde ich, mal ganz unter uns, richtig geil.)

Denn diese sind als Digital Natives gefühlt seit dem Tag ihrer Geburt online und haben erschreckend wenig Ahnung von dem, was hinter den App-Oberflächen so passiert. Sie sind allem somit schutzlos ausgeliefert. 

Was ist Privatsphäre? Wieso sollten wir diese schützen? Was passiert, wenn wir das nicht tun? Was machen Unternehmen mit Daten? Wieso ist das nicht ungefährlich? Und wie kann man sich schützen? 

Kammerlander: Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, ob du es kannst

Hier gilt es noch mal komplettes Neuland zu betreten: Wie bringt man Datenschutz Kindern bzw. Jugendlichen bei?  Wir werden es einfach mal versuchen! Das Thema ist zu wichtig, um es unversucht liegen zu lassen. Und wir haben durch das Projekt viele Verbündete gefunden, die uns unterstützen.

Mit Erfahrungen, Unterlagen, Auslegungen von Rechtstexten, mit pädagogischer und didaktischer Kompetenz, mit konstruktivem Feedback und Einblicken hinter die Kulissen. So wurde aus einem Projekt für die Gesellschaft ein Projekt der Gemeinschaft. Und das ausgerechnet bei einem Thema wie Datenschutz! 

Wie wichtig findest du digitale Befähigung an Schulen? Welche Ideen hast du, das Thema voranzubringen? Oder möchtest du mehr über das Projekt erfahren? Wir freuen uns über Feedback und regen Austausch!

Miriam Reichelt

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